AfD vor dem Parteitag: National-sozial vs. national-liberal
Auf dem Parteitag treffen fundamental unterschiedliche Ideen von Renten- und Sozialpolitik aufeinander. Zudem gibt es Streit ums Thema Stiftung.
Fragt man Meuthen selbst, will er es so hoch nicht hängen. Doch klar ist: Der AfD-Chef will der parteiinternen Rentendiskussion seinen Stempel aufdrücken. Und damit für die AnhängerInnen einer wirtschaftsliberalen Sozialpolitik ein Stückchen der parteiinternen Stammtischhoheit zurückgewinnen. Denn die liegt derzeit beim völkisch-nationalistischen Flügel um den Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke, mit dem Meuthen sonst auch gern mal gemeinsame Sache macht.
Höcke und der Thüringer Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl haben vor knapp drei Wochen das Rentenkonzept der Thüringer AfD-Fraktion vorgestellt. Nicht in Erfurt, sondern in Berlin. Das sorgt für mehr Aufmerksamkeit und verdeutlicht nebenbei den bundespolitischen Anspruch. Bei der Rente machen Höcke und Pohl sozialpolitisch auf links: Sie fordern eine Anhebung des Rentenniveaus, den Ausbau zu einer Bürgerversicherung – dass also auch Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen – und staatliche Zuschläge für kleine Renten. Allerdings, und da sind sie wieder ganz rechts, sollen diese Zuschläge nur Deutsche bekommen. Der Hintergrund: Altersarmut dürfte im kommenden Jahr ein großes Thema in Landtagswahlkämpfen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg werden.
Konflikt mit Höcke
Meuthen hält von all dem nichts. Wo Höcke und Pohl mehr Staat und weniger private Vorsorge wollen, will der AfD-Chef das Gegenteil. „Auch bei der Rente sollten die Menschen vor allem in Eigenverantwortung handeln“, sagt er. Der Staat solle sich um die kümmern, die dazu selbst nicht in der Lage seien. Auch will Meuthen nicht „noch mehr Menschen in ein Rentensystem zwingen, das nicht mehr funktioniert“. Das klingt nach Konflikt mit Höcke und Co., aber auch nach einem grundsätzlichen Kurswechsel im Rentensystem.
In der AfD steht eine Diskussion über die Themen Rente und Sozialpolitik an. Die Partei hat dazu bislang kein abgestimmtes Programm. Und das aus gutem Grund: Die Ansichten in der Partei, aber auch unter den WählerInnen, liegen fundamental auseinander. Es geht um eine Grundsatzentscheidung: Will die AfD wie der Front National in Frankreich einen national-sozialen Kurs einschlagen? Oder soll doch noch etwas von den national-liberalen Ideen der Anfangszeit gerettet werden? In der Partei kursieren bereits verschiedene Papiere, weitere werden geschrieben, es wird verhandelt, sich in Stellung gebracht.
Eine Diskussion soll es in Augsburg nicht geben. Nach Meuthens Rede steht die Wahl von Richtern für das Bundesschiedsgericht auf der Tagesordnung, so sieht es Tagesordnungspunkt 9 vor. Zum Showdown kommt es vermutlich erst im kommenden Jahr. Höcke und seine Anhänger haben einen Sonderparteitag zum Thema beantragt.
Das zweite große Thema unter den gut 600 Delegierten wird die Frage sein, ob die AfD eine parteinahe Stiftung einrichten will – und ob dies die Desiderius-Erasmus-Stiftung sein soll, die von der ehemaligen CDU-Politikerin Erika Steinbach geleitet wird, oder die Konkurrenz mit dem Namen des ehemaligen national-liberalen Reichskanzlers Gustav Stresemann.
Der Parteivorstand hat sich nach erbittertem Streit für einen Kompromiss ausgesprochen, der beide Stiftungen zusammen führt. Auch weil unklar ist, ob der Name Stresemann rechtlich überhaupt zu halten ist. Es gibt aber auch viele Stimmen in der Partei, die eine Stiftung grundsätzlich ablehnen. Hatte man denen, die bei der AfD so gern „Altparteien“ genannt werden, nicht vorgeworfen, sich damit Steuergelder unter den Nagel zu reißen?
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