AfD und Identitäre Bewegung: Nach rechts offen
AfD-Landtagsfraktionsvize in Mecklenburg-Vorpommern, Ralph Weber, heißt die Identitäre Bewegung „willkommen“
Eigentlich ist die Position eindeutig: Keine Zusammenarbeit mit der „Identitären Bewegung“ (IB) und „Bewegung Pro Deutschland“ (Pro), heißt es in einem Beschluss der AfD-Spitze vom Juni 2016. Dieser zählt aber parteiintern nicht wirklich viel.
Auf seiner Facebook-Seite verspricht der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern, Ralph Weber, diesen Beschluss zu kippen. Er tritt offen für die Zusammenarbeit mit den beiden rechtsextremen Bewegungen ein.
In einem Post zum Landesparteitag in Gägolow am 12. November prahlt Weber, dass für ihn „persönlich“ der Parteitag „sehr gut gelaufen“ sei. Ohne Gegenstimme sei er erneut für die nächsten zwei Jahre zum Präsidenten des Landesschiedsgerichts der Partei und auch als einziger Vertreter in den Konvent gewählt worden. Weber erklärt, „dass es ein Ende damit haben“ müsste, „dass unsere Gegner (die Feinde unseres Vaterlandes), Einfluss darauf haben, wen wir als Verbündete akzeptieren“. Er will sich darum bemühen, dass in dem Gremium „die Weichen in die richtige Richtung“ gestellt werden. Und diese Richtung heißt: Schluss „mit der generellen Unvereinbarkeitsliste“.
Dreizehn Seiten lang ist die Liste der AfD mit Gruppierungen und Parteien aus dem Ausländer-, Rechts- und Linksextremismus, Islamismus und Scientology. Die Auswahl beruht offenbar auf Verfassungsschutzberichten. Statt sich nach der Liste zu orientieren, will Weber, dass die Landesverbände gegebenenfalls Einzelfallentscheidungen vornehmen.
Am 11. November hatte Pro Deutschland ihre Auflösung beschlossen und ihre ehemaligen Mitglieder und Mandatsträger aufgerufen, „sich der AfD anzuschließen“. Prompt erinnerte der AfD-Bundesparteisprecher Christian Lüth daran, das diese Partei auf ihrer Unvereinbarkeitsliste stünde, „sie können gar nicht aufgenommen werden“.
Diese Distanzeritis stört in der Nord-Ost AfD einige Mitglieder. Im Landtagswahlkampf 2016 erklärte der AfD-Kader Holger Arppe bei einer Veranstaltung des weit rechten „Compact“-Magazins: „Die Leute von der IB sind intelligent. Die sind klug, die sind gewitzt, die sind kreativ und genau deswegen hat das System Angst vor diesen Leuten und hetzt ihnen den Verfassungsschutz auf den Hals.“ Im Landesverband lösten diese Bekenntnisse damals keinen großen Widerspruch aus.
Ein Jahr später musste Arppe wegen Chat-Protokollen mit brutalen Gewalt – und Vergewaltigungsfantasien als stellvertretender Vorsitzender die Fraktion verlassen. Die Protokolle dokumentieren auch das Miteinander von Arppe mit dem leitenden Kader der IB, Daniel Fiß aus Rostock. Eine Nähe, die der Landesverband nicht offen kritisierte.
Ralph Weber positionierte sich schon im Landtagswahlkampf 2016 extrem weit rechts. Der Professor für Arbeitsrecht und Rechtsgeschichte an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald erschien in Thor-Steinar-Kleidung, der beliebten Modemarke der rechten Szene auf der Arbeit und ließ Maik Bunzel von der Rechtsrock-Band „Hassgesang“ promovieren
In seinem Wahlkreis in Wolgast gewann er 35,3 Prozent der Stimmen. Auch in der Fraktion fand er großen Zuspruch, wurde stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Im April 2017 rief der 57-Jährige dazu auf, dass „‚Biodeutsche‘ mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern“ sich stark machen müssten, damit „unsere Heimat auch in 30 Jahren noch von einer deutschen Leitkultur geprägt und geformt“ sei. Nach medialer Kritik löschte Weber diese Ausführungen so wie den Satz „Deutschland den Deutschen“.
Die „Umvolkung“ beklagt er regelmäßig – ganz wie die IB. Im Landtag scheiterte seine Wahl für das Amt des Parlamentsvizepräsidenten, da er den Kniefall von Kanzler Willy Brandt (SPD) 1970 in Warschau als „Verrat an der historischen Heimat“ bezeichnete.
Im Norden scheuen auch andere AfDler die Nähe zur IB nicht. Es scheint, als folge der als moderat geltende Landesvorsitzende Leif-Erik Holm bereits Webers Idee. Mit einzelnen Vertretern der IB hätten sie „überhaupt keine Probleme“. Klingt nach Einzelfallentscheidung.
Die Missachtung der Beschlusslage könnte auch an Alexander Gauland liegen. 2016 sagte der Bundesvize in einem Interview mit „Compact“: „Ich erwarte, dass Menschen, die wie die AfD denken, bei uns mitmachen.“ Deswegen sehe er „überhaupt nicht ein, warum wir mit der Identitären Bewegung zusammenarbeiten sollten, denn die können alle zu uns kommen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen