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AfD mit Rassismus zum RekordSieger der Hetze

Die AfD hat im Osten ein Rekordergebnis erzielt. Die Fraktion im Bundestag wird damit nicht nur stärker, sondern auch deutlich rechtsextremer.

Freuen sich über die Aufmerksamkeit auf der Bundespressekonferenz: Alice Weidel und Tino Chrupalla Foto: Markus Schreiber/ap

Berlin Erfurt | taz | Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf für die autoritär-nationalistische AfD: Alice Weidel behauptete am Wahl­abend zwar permanent, dass ihre Hand in Richtung der Union ausgestreckt sei. Wie sie inhaltliche Differenzen zur Union auflösen wollte, beantwortete sie aber wie so oft nicht: Würde sie etwa ein neues Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr befürworten?

Sie gab wortreich keine Antwort: Nach marktradikal-ideologischen Ausführungen dazu, warum ein Staat angeblich keine Schulden machen dürfe, landete sie in kürzester Zeit wieder bei „offenen Grenzen“, einer angeblichen „Herrschaft des Unrechts“ und einer aufgeweichten Schuldenbremse, die unter CDU-Kanzler Merz mit der SPD drohen würde. Sie hingegen wolle mit dem „eisernen Besen durchkehren“. So wurde bei der Bundespressekonferenz am Tag nach der Wahl zumindest eines schnell klar: Fundamentalopposition bleibt.

Selbst die enttäuschte Frage der weit nach rechts gerückten Schwäbischen Zeitung, wie sie denn ohne Regierungsverantwortung die AfD-Wähler*innen bei der Stange halten wolle, beantwortete Weidel mit Medienschelte von angeblichen „linken Schmutzkampagnen“ und der „steuerfinanzierten Mainstreampresse“.

Und als es mit Fragen zur mutmaßlich illegalen 2,35-Millionen-Euro-Spende des mutmaßlich wahren Spenders Henning Conle unangenehm wurde, wich Weidel komplett aus und ließ ihren Co-Parteichef Tino Chrupalla mit Allgemeinplätzen jegliche Kenntnis von Unregelmäßigkeiten abstreiten. Nebenbei lobte sie den autoritären Umbau des US-amerikanischen Staates durch Donald Trump, Elon Musk und dessen angebliche „Effizienz­behörde“: „So was brauchen wir auch!“

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Projekt „Zerstörung der CDU“

Ansonsten rollt bei der AfD vor allem das Projekt „Zerstörung der CDU“ voran: Die Co-Sprecher*innen griffen weiter die Brandmauer an – man dürfe „den Wählerwillen“ nicht ignorieren –, während sie selbst verdrängten, dass in Nachwahlbefragungen selbst im Osten noch eine Mehrheit der Wäh­le­r*in­nen eine Regierungsbeteiligung der AfD grundsätzlich ablehnen. Chrupalla forderte trotzdem mal eben den Rücktritt der Regierunsgschefs im Osten, weil sie „Regierungen gegen und ohne das Volk“ gebildet hätten.

Auch wenn die AfD von Regierungsverantwortung noch weit weg ist, hat die Partei bei der Bundestagswahl einen erheblichen Normalisierungsschub bekommen: Am Ende steht eine Verdopplung der Stimmen, von 10,4 auf 20,8 Prozent ein Rekordergebnis. Insgesamt haben 10,3 Millionen Deutsche die AfD gewählt.

In 46 Wahlkreisen hat die AfD Direktmandate gewonnen

Besonders schmerzhaft sind für De­mo­kra­t*in­nen die Ergebnisse im Osten, wo schon jetzt in weiten Teilen eine extrem rechte Hegemonie herrscht. Das AfD-Ergebnis in Thüringen liegt bei 38,6 Prozent. Ähnliche Ergebnisse bekam die AfD in Sachsen (37,3 Prozent), Sachsen-Anhalt (37,1 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (35 Prozent) und Brandenburg (32,1 Prozent).

In 46 Wahlkreisen hat die AfD Direktmandate gewonnen. 45 davon liegen in ostdeutschen Flächenländern, einer in Ostberlin. Bei der Bundestagswahl 2021 waren es noch 16 Direktmandate. Gewonnen hat sie all das bei anhaltender Radikalisierung: Der Patron der Radikalisierung der AfD, der 84-jährige Alexander Gauland, zieht in Chemnitz direkt ein, ebenso der ultraradikale SS-Apologet und Diktatorenfreund Maximilian Krah im Chemnitzer Umland.

Aber die AfD gewann auch erstmals im Westen Wahlkreise: In Gelsenkirchen lag sie mit 24,7 Prozent knapp vor der SPD, und in Kaiserslautern stach sie mit 25,9 Prozent die CDU aus. Bei der Wahlentscheidung für die AfD ist dabei laut Forschungsgruppe Wahlen der viel zitierte „Protest“ nur zu 29 Prozent entscheidend, 68 Prozent wählten die AfD wegen ihrer Inhalte – und die waren mit dem Vertreibungs-Euphemismus „Remigration“ in diesem Wahlkampf so radikal wie nie zuvor.

Profiteure der allgemeinen Verunsicherung

Dabei profitierte die Partei vor allem von der allgemeinen Verunsicherung: Wirtschaftskrise, Bruch der Ampelregierung, die von Fakten entkoppelte Debatte zu Migration, sodass der gesamtgesellschaftliche Rassismus wahlentscheidend wurde. Am meisten konnte die AfD von der Mobilisierung von Nicht­wäh­le­r*in­nen profitieren, aber sie gewann auch von der Union, der FDP und der SPD.

Unterm Strich bleibt eine handfeste und gesamtdeutsche Demokratiekrise, die sich in einer extrem rechten Bundestagsfraktion niederschlägt: Bereits in der vergangenen Legislatur beschäftigten die AfD-Abgeordneten im Bundestag zahlreiche Rechtsextremisten.

Nun wächst die Fraktion von 82 auf 152 Abgeordnete, die lautstark und obstruktiv am autoritären Umbau der liberalen Demokratie arbeiten werden. Kaum ein Trost ist dabei, dass die AfD das für Untersuchungsausschüsse notwendige Quorum von 25 Prozent der Bundestagssitze knapp verpasst.

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