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AfD im Abgeordnetenhaus„Der Tonfall ist rauer geworden“

Präsidentin Seibeld mahnt zu sachlicherer Debatte im Landesparlament. Grüne Kritik an Justizsenatorin Badenberg, die keinen AfD-Verbotsantrag will.

Im Berliner Abgeordnetenhaus sind bei ungebührlichem Verhalten Rügen oder Ordnungsrufe fällig Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld (CDU) hat sich vor dem Hintergrund einer Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ zur Lage im Berliner Landesparlament geäußert. „Der Tonfall und die Stimmung im Parlament sind in den vergangenen Jahren rauer geworden“, sagt die CDU-Politikerin allgemein, ohne die AfD konkret zu nennen. Spätestens mit dem Einzug der Piraten in das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2011 habe sich der Umgang mit- und untereinander verändert.

In einem Parlament dürften und sollten deutliche Worte fallen, gestand die Präsidentin im Gespräch mit der taz und anderen Medien zu – „die parlamentarische Auseinandersetzung hat jedoch Grenzen“. Beleidigende, strafrechtlich relevante Äußerungen und persönliche Diskreditierungen sollten tabu sein. „Wer gegen die parlamentarischen Gepflogenheiten verstößt, muss mit einer Rüge oder Ordnungsmaßnahme rechnen“, sagte Seibeld. Konkrete Formulierungen, die zu Rügen oder Ordnungsmaßnahmen führen, seien nicht definiert, zumal Sprache einem Wandel unterliegt.

Bei der Entscheidung über Ordnungsmaßnahmen gebe es einen weiten Ermessensspielraum, der die konkrete Situation und die Stimmung in der parlamentarischen Debatte berücksichtigt. „Am Ende geht es nicht um die Verhängung von Ordnungsrufen, sondern darum, wieder zu einer sachlichen Debatte zurückzukommen“, sagte Seibeld. Die AfD-Fraktion hatte sich mehrfach gerichtlich gegen Ordnungsmaßnahmen zu wehren versucht. Bei der Plenarsitzung am 28. März war kurz vor Sitzungsende ein AfD-Abgeordneter nach mehreren Ordnungsrufen von der Sitzung ausgeschlossen worden. Das war in dieser Wahlperiode zuvor nicht vorgekommen.

„Eine wehrhafte Demokratie muss in der Lage sein, sich vor Verfassungsfeinden zu schützen – das gilt auch für Verfassungsorgane wie das Abgeordnetenhaus von Berlin“, so Seibeld. Grundsätzlich müsse man die Resilienz der Verfassungsorgane ins Auge fassen und gegebenenfalls verbessern.

Grüne fordern bei Landesparteitag AfD-Verbotsantrag

Seibelds Parteifreundin, Justizsenatorin Felor Badenberg, hat sich bislang dagegen ausgesprochen, die Hochstufung der AfD zur Basis eines Verbotsantrags zu machen. Dies tauge nicht als Werkzeug für ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei, war von ihr jüngst zu hören. Badenberg war vor ihrem Wechsel in die schwarz-rote Landesregierung Ende April 2023 Vizechefin des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln.

Bei den Grünen sorgt ihre Haltung für Verärgerung. Badenberg solle „endlich konsequent gegen Rechtsextremismus vorgehen“, sagte der Berliner Landesvorsitzende Philmon Ghirmai auf einem Parteitag am Samstag. „Leiten Sie ein Verbotsverfahren ein“, forderte er die Justizsenatorin auf. Das Gutachten selbst ist noch nicht offiziell veröffentlicht, aber etwa über das Politik-Magazin Cicero einsehbar.

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