piwik no script img

AfD gegen freie BerichterstattungIhr Kampf

Bei einem Parteitag in Bayern hat die AfD Jour­na­lis­t*in­nen von Security bewachen lassen. Die Rechtsradikalen rüsten gegen die Pressefreiheit auf.

Gegen die Pressefreiheit: Landesparteitag der AfD Bayern Foto: Daniel Löb/dpa

Berlin taz | Selbst für AfD-Verhältnisse war es ein neuer Tiefpunkt: Zwei stämmige Securitys begleiteten den Reporter Johannes Reichart vom Bayerischen Rundfunk beim Parteitag der AfD Bayern in Greding Ende November auf Schritt und Tritt. Sogar beim Toilettengang und beim Kauf von Getränken bewachte das Sicherheitspersonal den Journalisten.

Als „neue Dimension der Einschränkung von Pressefreiheit“, als „Schikanen“ bezeichnet Reichart gegenüber der taz das Vorgehen. „Jeder Journalist vor Ort wurde von Securitys begleitet, die sogar Gespräche mit Mitgliedern unterbunden haben. Ein Fotograf, der den Pressebereich verlassen wollte, wurde für mehrere Minuten von den Securitys aufgehalten. Unser Kamerateam durfte nur aus dem Pressebereich im hintersten Teil der Halle filmen, alle anderen Aufnahmen waren verboten.“ Die Berichterstattung einzustellen, sei allerdings nicht in Frage gekommen: „Uns war wichtig, gerade dann zu berichten: Die Öffentlichkeit soll gerne erfahren, wie in dieser Partei mit der Presse umgegangen wird.“

Die Einschränkungen galten für alle Jour­na­lis­t*in­nen auf dem Parteitag, aber den BR-Reporter hat der stramm völkische Landesverband offenbar besonders auf dem Kieker: Bereits Anfang 2024 hat die AfD Bayern den Journalisten mit einem Hausverbot belegt und versucht, ihn von allen Veranstaltungen auszuschließen. Reichart recherchiert über das Innere des Landesverbands, etwa über Rassismus und Bürgerkriegsfantasien in internen Telegram-Chats.

Der Vorwurf beim Hausverbot gegen Reichart: Er habe die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner beleidigt. Belegt ist diese Behauptung nicht. Reichart bestreitet sie auch gegenüber der taz. „Es gab keine Beleidigung, die Partei arbeitet mit Drohungen und Einschüchterungsversuchen.“ Rechtlich haltbar war der Ausschluss beim Parteitag nicht: Laut Parteienrechtlerin Sophie Schönberger gibt es zwar keine gesetzliche Pflicht, Parteitage öffentlich abzuhalten. „Aber die jüngere Rechtsprechung verbietet es Parteien, bestimmte Medien willkürlich auszuschließen, wenn sie grundsätzlich Presse zulässt.“ Entweder alle ausschließen, oder keine*n. Vor dem Parteitag klagte der BR deswegen gegen den Ausschluss – erfolgreich.

Für Bayern neu

Jetzt also standen die Jour­na­lis­t*in­nen in abgetrennten Bereichen. Auf Bundesparteitagen der AfD ist das bereits die Regel. So überwachten letzten Juni in Essen Securitys, dass über Absperrbänder hinweg keine Gespräche mit Parteitagsdelegierten stattfanden.

BR-Reporter Johannes Reichart in Dauerüberwachung beim AfD-Parteitag im Bayerischen Greding Foto: XAccount des Reporters

Für Bayern sind die Einschränkungen neu. Der bayerische Journalistenverband kritisierte sie als eindeutigen Eingriff in die Pressefreiheit. Journalisten müssten sich frei bewegen und mit Leuten sprechen können, um Stimmungsbilder einzufangen und Einschätzungen zu bekommen, sagt der BJV-Vorsitzende Harald Stocker „Eine politische Partei kann sich nicht aussuchen, wer über sie berichtet. Die AfD hat der Freiheit der Berichterstattung enormen Schaden zugefügt.“

Erst ausladen, dann einpferchen – es ist nicht das erste Mal, dass die Partei gegen unliebsame Jour­na­lis­t*in­nen vorgeht. Ende 2023 versuchte die AfD Thüringen, ein Team des ARD-Magazins „Monitor“ von ihrem Landesparteitag auszuschließen. Der selbe Landesverband versuchte, die für die AfD zuständigen Re­por­te­r*in­nen von Welt, Spiegel, RND, SZ, Bild und auch der taz von der Wahlparty im September 2024 auszuschließen. Beide Male klagten die Medien erfolgreich gegen den Ausschluss.

Im Rechtsstreit um Zugang zur Wahlparty begründete die AfD den Ausschluss auch mit angeblich „großer Diffamierungsabsicht“ der ausgeschlossenen Reporter*innen. Als die Partei mit ihrer Argumentation vor Gericht scheiterte, untersagte sie kurzum aus Platzgründen allen Jour­na­lis­t*in­nen den Zutritt – auch das sei ja Gleichbehandlung. Von der Wahlparty berichteten dann aber extrem rechte Me­di­en­ak­ti­vis­t*in­nen aus dem politischen Umfeld der Partei – etwa Compact, aber auch der Ideologe und Verleger Götz Kubitschek.

Parallel zur verschärften Gangart gegen die Presse stärken manche Mitglieder seit Jahren die Beziehung zu sogenannten alternativen Medien, wie etwa die AfD-Politikerin Marie-Thérèse Kaiser, die 2021 beim Bundesparteitag von Riesa gleich selbst für den verschwörungsideologischen TV-Sender Auf 1-TV berichtete. Und im Thüringer Wahlkampf 2024 verspricht Björn Höcke unter Jubel des Parteitags, die Rundfunkstaatsverträge kündigen zu wollen. Ende November 2024 gibt die rechtspopulistische Wochenzeitung Weltwoche aus der Schweiz bekannt: Alice Weidel wird dort Kolumnistin.

Beleidigungen und Schubser

Katharina Weiß von Reporter ohne Grenzen sagt, dass ihr Geschehnisse wie in Bayern mit Blick auf Pressefreiheit Sorgen bereiten. Jour­na­lis­t*in­nen beschrieben im Zusammenhang mit AfD-Veranstaltungen immer wieder Behinderungen, Angriffe und Beleidigungen. Allein für 2024 kann Weiß eine Reihe von Attacken auf Pres­se­ver­tre­te­r*in­nennennen: Schubser, Griffe in die Kamera, Fotos von Journalist*innen, um sie danach online öffentlich anprangern zu können.

Die Strategie der AfD: Qualitätspresse angehen, rechte Medien hofieren

Die Dunkelziffer sei hoch, zumal die Kol­le­g*in­nen häufig hartgesotten seien und kleine Körperverletzungen oder Schläge auf Kameras nicht meldeten, so Weiß. Und sie erzählt auch von einer weiteren bekannten Praktik bei Veranstaltungen: „Häufig markieren AfD-Politiker anwesende Journalisten gezielt von der Bühne herab und geben sie damit vor der anwesenden Menge zum Abschuss frei.“

Über die AfD zu berichten, kann gefährlich werden: 2023 etwa wurde ein Reporter der Ostthüringer Zeitung am Rande einer AfD-Veranstaltung erst beschimpft und geschlagen, später steckten Schrauben in seinen Autoreifen. Viele Lokalredaktionen, aber auch der MDR schicken Reporter teils nur noch mit Security auf bestimmte Demos.

Mit persönlichen Anfeindungen hat die Spiegel-Reporterin Ann-Katrin Müller besonders leidliche Erfahrungen. Sie wurde nicht nur von einem Presseempfang vor dem AfD-Parteitag in Essen ausgeschlossen. Zudem beleidigte der stellvertretende AfD-Bundessprecher Stephan Brandner die Spiegel-Journalistin in den sozialen Medien nahezu obsessiv als „Faschistin“.

Onlinehetze der AfD hat spürbare Auswirkungen

Ein erfolgreiche einstweilige Verfügung dagegen ignorierte Brandner und forderte stattdessen seine An­hän­ge­r*in­nen auf, es ihm nachzumachen – die Folge waren wiederum massenhafte Beleidigungen gegen Müller. Die Journalistin setzt sich dagegen zur Wehr, das Verfahren läuft noch. Bis jetzt hagelte es für Brandner Ordnungsgelder – insgesamt drohen ihm mittlerweile 50.000 Euro Strafe und auch strafrechtliche Konsequenzen. Denn seit der Bundestag Brandners Immunität aufgehoben hat, ermittelt die Staatsanwaltschaft Gera gegen den Rechtsanwalt wegen Beleidigung und Anstiftung zur Beleidigung.

Müllers Anwalt Marc-Oliver Srocke vermutet, Brandner würde seine Geg­ne­r*in­nen verunglimpfen wollen. Die Onlinehetze der AfD habe für Müller spürbare Auswirkungen auf die reale Welt und im beruflichen Kontext. Auf AfD-Veranstaltungen und Demos werde sie angefeindet und abfotografiert, ihre Berichterstattung würde behindert. „Postings wie die von Brandner heizen das feindselige Klima noch weiter an“, sagt Srocke. Als Bundesvorstand der AfD habe Brandner zudem eine Vorbildfunktion, legitimiere durch seine Posts letztlich Beleidigungen und Einschüchterungen.

Auch Matthias von Fintel, der bei Verdi für Presse zuständig ist, beobachtet die Entwicklungen mit Sorge. Von Fintel sagt: „Die AfD ist federführend in der Verächtlichmachung von Medienvertretern und des Mediensystems insgesamt.“ Der Trend werde aus seiner Sicht aber mittlerweile teils auch von etablierteren Parteien aufgegriffen – etwa wenn Friedrich Merz beim CDU-Parteitag „die stolze Zahl von 58 Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ ironisch begrüße und dann mit hölzernen Humor sage: „Mit ihnen werden wir uns im Laufe des Parteitags besonders liebevoll beschäftigen.“ Von Fintel sieht das kritisch: „Da schwang mit: Das sind zu viele, die sind überflüssig – das ist ein Bild, das alles andere als freundlich ist.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!