AfD-Landesparteitag in Hessen: Rechtsruck mit Prominenz
Das Treffen im Idyll von Allendorf gilt als Trendmesser für die AfD. Bundes-Konservative um Petry, von Storch und Pretzell ziehen die Partei nach rechts.
ALLENDORF taz | Auf den Scheiben der Mehrzweckhalle steht mit roter Farbe „Fuck AfD“, Jusos protestieren mit Schildern gegen die Partei. Schon zum dritten Mal ist die rechtskonservative AfD im beschaulichen Allendorf zusammengekommen. Zum insgesamt vierten Landesparteitag in zwei Jahren.
„Allendorf zieht uns magisch an“, sagt Uwe Schulz, Sprecher des einladenden Kreisverbands Gießen. Vielleicht liegt das mit dem häufigen Treffen aber nicht nur an Allendorf. Dass man zum dritten Mal binnen kürzester Zeit zusammengekommen ist, kann auch daran liegen, dass die AfD nach der eigenen Linie sucht: liberal, konservativ oder noch rechter?
Die Sitzung am Samstag werten viele parteiintern und extern als Trendmesser für den Bundesparteitag im Juni. Dann werden konservative oder liberale Mehrheiten wichtig. Denn es geht um die Frage, wer sich im innerparteilichen Ringen um den Vorsitz durchsetzen kann und damit die inhaltliche Deutungshoheit behält. „Vielleicht ist nun der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen“, sagt Schulz zur Begrüßung.
Zumindest in puncto kommunale Referenten scheint die Richtung klar: weg von den Finanzthemen, die Parteichef Bernd Lucke wichtig sind. Nur ein Experte zum Thema Finanzen ist in bei der Hessen AfD gelistet. Gleich vier zum Thema Energiewende, zwei zu Islam und Parallelgesellschaft, zwei zum Thema Bildung.
Rückendeckung für Ex-Republikaner
Und auch als es inhaltlich wird, gehen die Sympathien weniger in Richtung liberal, mehr in Richtung rechtskonservativ: Der alte Vorstand um Konrad Adam und Susanne Gruber musste zurücktreten – wohl weil sie den Rücktritt von AfD-Landeschef Peter Münchs bewirkt hatten. Er habe frühere Ämter bei den rechtsextremen Republikanern verschwiegen, lautete die Begründung.
Münch ist in Allendorf sichtlich beliebt. Zahlreiche Redner sprechen ihm ihre Rückendeckung aus. „Seine Vergangenheit sollte ad acta gelegt werden“, fordert Andreas Lichert, der der Neuen Rechten zugerechnet wird, und bekommt dafür viel Applaus.
„Das ist definitiv ein Rechtsruck, was wir heute erlebt haben“, erklärt die abgewählte Sprecherin Susanne Gruber hinterher gegenüber der taz. Es sei nicht mehr ihre Partei, die sie an dem Tag erlebt habe. Von Pegida und Co. müsse sich die AfD klar distanzieren. „Wir brauchen eine Debatte über den rechten Rand“, sagt sie und wirkt dabei müde und enttäuscht. Antreten wird sie nicht noch einmal. Auch einige andere Mitglieder überlegen sich nach diesem Samstag, ob sie weiter in der Alternative für Deutschland bleiben. Sie sind mit dem immer stärkeren Raumgewinn des konservativen Flügels unzufrieden.
Während Susanne Gruber geht, läuft eine andere auf: Frauke Petry, eingeladene Gastrednerin und eine der potenziell größten Gegenspielerinnen des wirtschaftsliberalen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke. Schon bei ihrer Ankündigung klatscht der Raum frenetisch. Als sie mit ihrer Rede fertig ist, gibt es Standing Ovations. Ein neuer Landesvorstand wird indes nicht gewählt. Den Antrag haben die AfDler schlichtweg vergessen, auf die Tagesordnung zu setzen.
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