AfD Berlin sagt Parteitag ab: Diesmal war’s nicht die Antifa
Erneut musste die AfD ihren Parteitag kurzfristig absagen. Diesmal waren Brandschutzauflagen schuld. Bündnisse mobilisieren nun zur Querdenken-Demo.
Auch die AfD bestätigte, dass der für den Sonntag geplante Parteitag nicht stattfinden kann. Er würde auf den 7. und 8. November verschoben, sagte ein Sprecher der taz. Der Tagesspiegel hatte zuvor aus einer internen Mail zitiert, dass der ohnehin nur als Notvorstand agierende Nicolaus Fest nach der Absage sogar seinen Rücktritt angeboten hatte: „Als Sprecher des Notvorstands übernehme ich dafür die Verantwortung.“ Er würde sein Amt zur Verfügung stellen, wenn jemand der Ansicht sei, „er könne es besser als der amtierende Notvorstand“. Politische Gründe vermutete er hinter der Absage nicht. Die Mail liegt der taz mittlerweile auch vor.
In der Mail greift Fest auch die Betreiberin an: Der Vertrag sei aufgrund der fehlenden Genehmigung nicht das Papier wert, auf das er gedruckt sei. Man versuche nun, die Termine am 7. und 8. in der Eventlocation zu retten. Fest klingt enttäuscht und schockiert. Er habe sich nicht vorstellen können, „dass der Vertragspartner 10 Wochen lang nicht auf das Risiko der fehlenden Genehmigung hinweist“. „Sehr, sehr viel Arbeit“ sei nun vergeblich – „aufgrund der Nonchalance einer Person“.
Darüber hinaus scheint die AfD Berlin ihren lang herbeigesehnten Parteitag nicht sonderlich gut organisiert zu haben: Bezirksbürgermeisterin Pohle sagte der taz, dass dem Gesundheitsamt noch kein Hygieneplan der AfD vorliege, obwohl sie dazu aufgefordert worden ist. „Der Festsaal wäre ohnehin nur für 200 Personen zugelassen gewesen, die AfD wollte aber mit 287 Delegierten dort tagen.“ Dafür hätte es keine Genehmigung gegeben, so Pohle.
Ausschlafen nach Sektparty
Martin Lennert vom Bündnis „Kein Raum der AfD“ sagte der taz kurz nach der Absage: „Wir haben eine Riesenschadenfreude. Wir haben uns heute Abend verabredet, um uns mit Abstand bei Frischluft eine Sektflasche zu genehmigen.“ Es sei besonders erfreulich, dass es diesmal ein hausgemachtes Problem der Betreiberin und der AfD ist. „Sie haben ihren Parteitag diesmal selbst verhindert“, sagt Lennert.
Das Bündnis mobilisiert nun für den Sonntag zur Querdenken-Demo vom Alexanderplatz zum Collosseum. Ausschlafen kann man dann auch: Statt um 8 Uhr früh am Sonntag am U-Bahnhof Kaulsdorf aufzuschlagen, ist der Protest für 12 Uhr am Alexanderplatz angesetzt. Zum Protest gegen den Parteitag hatten auch die Bündnisse „Aufstehen gegen Rassismus“, „Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf“ sowie die Grünen Marzahn-Hellersdorf, Linke/SDS und die Jusos aufgerufen.
Die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag konzentriere man nun auf das Wochenende am 7. und 8. November. Selbst wenn die Veranstaltung wieder abgesagt werden soll, wolle man vor die Eventlocation ziehen und dagegen demonstrieren, dass dort der AfD Räume zur Verfügung gestellt werden sollten.
Die AfD Berlin versucht seit über einem Jahr vergeblich, einen Parteitag abzuhalten. Aufgrund starker Mobilisierung gegen etwaige Betreiber:innen haben laut AfD deutlich über 100 Vermieter:innen abgesagt. Zuletzt war im Frühjahr ein Parteitag im Ballhaus Pankow gescheitert.
Konfetti und kurzer Draht zu Russia Today
Auch in Kaulsdorf gab es Proteste: Neben Demos vor einem mit der Betreiberin geschäftlich zusammenhängenden Hotel und geplanten Demos am eigentlichen Parteitag hatten Aktivist:innen sich zum Veranstaltungsraum im Rahmen einer Besichtigung Zugang verschafft und dort mit Konfetti geschmissen, „Kein Raum der AfD“ skandiert und Stühle von einem Tisch gestoßen. Erstaunlicherweise ist unverpixeltes Bildmaterial von dem Vorfall an Russia Today und die AfD gelangt, deren Berichte über einen Überfall von Maskierten fanden sich kurz darauf auch in der Springer-Presse wieder.
Die erneute Absage ist für die AfD ein großer Rückschlag. Sie wollte auf dem Parteitag ihren Vorstand und ihr Schiedsgericht neu wählen. Kandidieren wollte der Notvorstand Nicolaus Fest selbst für das Amt. Bekannt ist der für rassistische und islamfeindliche Thesen. Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl 2021 will der autoritäre Ex-Militär und ehemalige Vorstand Georg Pazderski werden. Gegenkandidaturen gibt es noch nicht.
Insbesondere die Fraktion der AfD im Abgeordnetenhaus ist tief zerstritten. Aus Fraktionskreisen heißt es, dass die Situation „eine Katastrophe“ sei. Mitarbeiter:innen berichteten von einem autoritären Führungsstil Pazderskis und Mobbing. Eine Spaltung der Fraktion stehe indes nicht bevor, weil die das katastrophale Bild nach außen noch verschlimmern würde. Deswegen halte man die Spannungen bis zum Ende der Legislatur aus. Es sei allerdings höchste Zeit, dass die Partei endlich einen regulären Landesvorstand bekomme. Fest sei dabei besser als kein Vorstand, heißt es. Problematisch sei allerdings, dass Fest als Europa-Abgeordneter in Brüssel sitze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren