Änderung im Staatsangehörigkeitsrecht: Appell an die SPD-Fraktion
Mit dem von der Großen Koalition geplanten Gesetz werde ein „Leitkultur-Paragraf“ eingeführt, warnt die AG Migration und Vielfalt in der SPD.
Teile der SPD machen Druck auf ihre Genoss*innen im Bundestag, beim letzten noch ausstehenden Gesetzesvorhaben aus dem Bereich Migration zu intervenieren. Die Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD forderte die Abgeordneten am Montag auf, die für kommende Woche geplante Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts „unverzüglich zu stoppen“.
„Unter dem Radar der Öffentlichkeit“ solle ein „Leitkultur-Paragraf“ beschlossen werden, kritisierte Irena Rudolph-Kokot, Vize-Bundesvorsitzende der AG. Der Gesetzentwurf sieht vor, Doppelstaatler*innen, die sich im Ausland einer Terrormiliz anschließen, die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen zu können. Allein das ist heftig umstritten. Dazu kommen aber weitgehende Änderungsanträge der Fraktionen von Union und SPD.
So soll zur Voraussetzung für die Einbürgerung werden, dass die „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist“. Laut Begründung zielt das vor allem darauf ab, die Einbürgerung von Menschen zu verhindern, die in Mehrehe leben. Im vorgeschlagenen Gesetzestext selber findet sich diese Spezifizierung allerdings nicht. Wann jemand sich in die „deutschen Lebensverhältnisse“ eingeordnet hat, wird nicht definiert.
Rudolph-Kokot sprach deswegen von einer „nebulösen Formulierung“ und kritisierte, es sei somit den ausführenden Behörden überlassen, „nach eigenem Ermessen zu urteilen, wer sich in die ‚deutschen Lebensverhältnisse‘ einordnen könne und wer nicht. Das ist absurd.“ Der Bundesvorsitzende der AG, Aziz Bozkurt, forderte eine Diskussion innerhalb der SPD.
Für viele Geflüchtete unmöglich
Das Bundesinnenministerium hatte ursprünglich einen Passus zur Mehrehe vorgesehen, das Kabinett hatte sich darauf aber nicht einigen können. Nun soll der Aspekt also im parlamentarischen Verfahren seinen Weg ins Gesetz finden.
Am Freitag kritisierte die AG in einem Bundesbeschluss mit dem Titel „Keine Rolle rückwärts beim Staatsangehörigkeitsrecht“ zudem, dass eine Einbürgerung nur noch möglich sein soll, wenn Identität und Staatsangehörigkeit einer Person geklärt sind. Das dürfte für viele Geflüchtete die Einbürgerung unmöglich machen, egal wie lange sie in Deutschland leben.
Die Botschaften mancher Länder stellen keine Pässe aus oder nur unter kaum zumutbaren Bedingungen. Eritrea etwa verlangt eine jährliche Steuer von zwei Prozent des Einkommens. Viele Geflüchtete könnten also mit dieser Gesetzesänderung „auf absehbare Zeit keine Staatsbürger werden“, heißt es in dem AG-Beschluss, der der taz vorliegt. „Das ist integrationspolitisch ein Desaster.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin