Ägyptischer Aktivist über Proteste: „Wir brauchen einen dritten Weg“

Die Fronten zwischen Militär und Muslimbrüdern verhärten sich. Karim Hassan über die Initiative „Dritter Platz“ – und die nächste Demo in Kairo.

Nach den Protesten bleibt die Trauer. Bild: ap

taz: Herr Hassan, Sie haben die Initiative Dritter Platz ins Leben gerufen. Eine kritische Nutzerin kommentiert die Gründung auf Twitter mit den Worten: „Wer keine Idee hat, was er will: Dritter Platz“.

Wir wissen ganz genau, was wir wollen. Wir wollen keine Rückkehr zu Mohammed Mursi, wollen aber auch nicht in die Zeiten des Regimes von Husni Mubarak zurückfallen, als die Polizei die Menschenrechte mit den Füßen trat, in der es kaum Meinungsfreiheit gab. Wir fordern eine Regierung, die sich um die Armen kümmert und die Träume der Jugend respektiert. Das waren die eigentlichen Ziele der Revolution.

Kommt das alte Regime zurück?

Eindeutig. Menschen werden willkürlich verhaftet. Drei meiner Kollegen sitzen im Gefängnis, ohne dass ich weiß, warum. Es ist traurig, aber ja, es kommt zurück.

Sie unterstützen weder die Anhänger des Militärs noch die Mursis. Wer steht hinter Ihnen?

Wir sind junge Leute mit unterschiedlichen politischen Hintergründen. Wir sehen in Ägypten zurzeit zwei große Gruppen, die sich gegenseitig bekämpfen. Wir dachten, das müssen wir durchbrechen. Wir brauchen eine Bewegung, die weder den Militärstaat noch einen religiösen Staat unterstützt. Wir brauchen einen dritten Weg.

■ ist Mitbegründer der Initiative „Dritter Platz“. Der 24-Jährige lebt in Kairo und arbeitet in einem Keramikunternehmen. Der Name spielt auf den Tahrirplatz sowie einen Platz in Nasr City an, auf denen sich Gegner beziehungsweise Anhänger Mursis versammeln.

Bei der „Dritten Platz“-Bewegung auf dem Kairoer Sphinx-Platz waren am Montagabend einige lange Bärte zu sehen. Haben Sie Unterstützer im Lager der Salafisten?

Nicht alle, die lange Bärte tragen, sind Salafisten. Die Revolutionären Sozialisten, von denen uns viele unterstützen, lassen ihre Bärte gewöhnlich auch lang wachsen. Sie haben beschlossen, Religion komplett aus dem politischen Leben herauszuhalten. Denen geht es um die Wirtschaft. Aber ich will nicht abstreiten, dass wir auch Salafisten in unseren Reihen haben.

Anhänger des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi haben zu neuen Großprotesten am Dienstag aufgerufen. Geplant sei ein „Millionenmarsch“ in Kairo, teilten die Unterstützer des inhaftierten Politikers am Montag mit. Bereits am Montagabend sollte es Kundgebungen vor Einrichtungen der Sicherheitskräfte geben. Bei den Demonstrationen solle der „Märtyrer“ gedacht werden, die seit dem Sturz Mursis am 3. Juli ihr Leben für ihn gelassen hätten. Die Übergangsregierung drohte den Anhängern Mursis für den Fall gewalttätiger Proteste erneut mit Härte. Innenminister Mohammed Ibrahim hatte bereits angekündigt, die Protestdemonstrationen würden bald von der Polizei gänzlich aufgelöst. (afp)

Einige hundert Teilnehmer kamen zu Ihrer Kundgebung. Warum so wenig?

Wir kämpfen gegen zwei Gruppen an. Die Muslimbruderschaft hat über 80 Jahre Erfahrung, das Militär ist seit 60 Jahren an der Macht. Uns gibt es seit der Revolution 2011, wir sind zwei Jahre alt. Aber wir wachsen. Das war ja erst unsere dritte Aktion, zu der wir aufgerufen haben.

Glauben Sie nicht, wie so viele, dass Armeechef Abdel Fatah al-Sisi die Nation vor einer Diktatur der Muslimbruderschaft gerettet hat?

Jeder Patriot in Ägypten hätte dasselbe gemacht wie al-Sisi. Die Muslimbruderschaft hat das Land in Richtung Bürgerkrieg getrieben. Al-Sisi musste einschreiten. Allerdings hat er zu aggressiv interveniert. Das Militär muss sich aus der Politik raushalten.

Die Anhänger Mursis gehen täglich für seine Wiedereinsetzung auf die Straße. Sehen Sie einen Ausweg aus dieser Pattsituation?

Die Muslimbruderschaft muss sich eingestehen, dass sie verloren hat. Sie muss akzeptieren, dass die Rückkehr Mursis ausgeschlossen ist. Andererseits muss der Militärrat anerkennen, dass er den Weg in die Zukunft nicht ohne die Muslimbruderschaft beschreiten kann. Ein Ausschluss der Muslimbrüder würde schwerwiegende Folgen haben.

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