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Ägyptens Verteidigungsminister entlassenMursi räumt auf

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi hat am Sonntag seinen Verteidigungsminister Tantawi entlassen. Tantawi leitete zuvor den Militärrat und war schon unter Mubarak Minister.

Der neue Verteidigungsminister tritt an: Abdel Fattah al Sissi (links) und sein Präsident. Bild: reuters

KAIRO dapd/afp | In Ägypten hat der islamistische Präsident Mohammed Mursi am Sonntag mit sofortiger Wirkung die Absetzung des Verteidigungsministers und des Generalstabschefs des Landes angeordnet und vom Militärrat erlassene Verfassungszusätze außer Kraft gesetzt. Mursis Sprecher Jasser Ali erklärte in einer vom Staatsfernsehen ausgestrahlten Pressekonferenz, der Präsident habe Abdel Fattah al Sissi zum Nachfolger von Feldmarschall Hussein Tantawi bestimmt.

Tantawi leitete den Militärrat, der Ägypten nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak im Februar vergangenen Jahres 17 Monate lang de facto regiert hatte, und war fast zwanzig Jahre Verteidigungsminister unter Mubarak. Die Nummer zwei des Militärrats, Generalstabschef Sami Annan, wurde ebenfalls seiner Funktion enthoben. Seine Nachfolge trete Sidki Sajed Ahmed an, hieß es. Tantawi und Annan wurden laut dem Staatsfernsehen zu Beratern des Präsidenten ernannt.

Zudem nahm Mursi Verfassungszusätze zurück, mit denen sich der Militärrat in einer Übergangsverfassung die zentralen Machtbefugnisse im Land gesichert hatte. Den ranghohen Richter Mahmud Mekki ernannte Mursi zudem zu seinem Vizepräsidenten.

Erst Anfang August hatte Mursi das Kabinett des neuen Regierungschefs Hischam Kandil vereidigt. Bei dieser Gelegenheit wurde der Chef des Obersten Militärrats, Tantawi, der seit dem Sturz Mubaraks faktisch die Macht ausübte, als Verteidigungsminister eingesetzt.

Mursi ist der erste frei gewählte Präsident Ägyptens. Er legte am 30. Juni vor dem Verfassungsgericht den Amtseid ab, nachdem er sich in der Stichwahl um das Präsidentenamt gegen seinen Kontrahenten Ahmed Schafik durchgesetzt hatte. Nach der Vereidigung Mursis vor dem Verfassungsgericht erfolgte auf einem Armeestützpunkt außerhalb der Hauptstadt Kairo auch die offizielle Machtübergabe durch Tantawi.

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4 Kommentare

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  • Z
    zombie1969

    Was will das Militär anderes machen als zu schweigen? Oder glaubt man ernsthaft, gegen die Islamisten käme das Militär noch an. Der "arabische Frühling" ist längst zu einem bitter kalten Winter verkommen, nicht nur in Ägypten.

  • M
    Mona

    Wirklich ein Skandal, dass ein demokratisch gewählter Präsident versucht die Militärjunta im eigenen Land zu bekämpfen. Die "evangelikale" CDU würde sich wohl nicht so vorbildlich verhalten...

  • NM
    n. michels

    Herr Mursi setzt jetzt wohl auf alles oder nichts. Da bin ich ja mal neugierig, ob ihm das die ägyptische Armee durchgehen lässt.

     

    Aber rein strategisch gesehen ist es jetzt wohl der beste Zeitpunkt, Tabula Rasa zu machen - jetzt oder nie. Denn jetzt müsste sich die Armee noch gegen das ganze Volk stellen, das die Regierung erst kürzlich ins Amt gewählt und noch nicht die zwangsläufige Desillusionierung mit selbiger erlitten hat.

     

    So gesehen: herzlichen Glückwunsch, Herr Mursi - ein blendender Schachzug.

     

    Da aber das ägyptische Militär der eigentliche Verbündete des Westens in diesem Land ist, dürfte diese Maßnahme in Washington und Tel Aviv allerheftigste Kopfschmerzen verursachen. Auch auf die Reaktionen von dieser Seite bin ich mal gespannt.

     

    Auf jeden Fall haben die ägyptischen Moslembrüder jetzt gezeigt, dass sie nicht auf einen Schmusekurs gehen, sondern das Land nach ihren Vorstellungen gestalten wollen.

     

    Auch dazu würde ich ihnen eigentlich gratulieren - aber dann müsste ich ja genausogut die CSU in Bayern gut finden. Ist ja das Gleiche, nur mit anderem Vorzeichen.

     

    Ob wir im Westen das akzeptieren können, wird sich wohl in den nächsten Monaten zeigen. Wir normalen Medienopfer werden das dann daran ablesen können, wie kritisch unsere Presse dann plötzlich über die Menschenrechtslage usw. in Ägypten berichtet.

  • R
    Racket

    Man hätte im Artikel erwähnen sollen, dass das neue Personal den Muslimbrüdern nahe steht.