Ägypten nach der COP 27: Nach dem Rampenlicht
Während der UN-Klimakonferenz schaute die Welt auf Ägypten. Auch Menschenrechtler*innen schöpften Hoffnung. Und jetzt?
Rund 40.000 Anzugträger*innen aus aller Welt trafen sich in der Wüstenstadt, um über die Umsetzung des Pariser Weltklimaabkommens zu verhandeln, über den Gipfel zu berichten – oder gar zu protestieren. Das ist sonst in der Militärdiktatur Ägypten mehr oder weniger unmöglich. Das Konferenzgelände galt für die Dauer des Klimagipfels aber als UN-Territorium. Die ägyptische Regierung hatte zudem ein kleines Areal für genehmigte Demonstrationen eingerichtet, auch wenn das allgemein als staatlich kontrollierte Show-Aktion gesehen wurde.
„Auf der COP sind wir so frei wie seit Langem nicht mehr“, sagte der ägyptische Journalist Mohamed Ezz der taz im November vor Ort. Er arbeitet für Mada Masr, die einzige unabhängige Onlinezeitung in Ägypten. „Mit der COP hat Ägypten seine internationale Bedeutung wiedererlangt“, so Ezz. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das so schnell wieder umdreht.“
Die internationale Aufmerksamkeit durch die COP hat auch unter Menschenrechtler*innen Hoffnung geweckt. „Wir sahen in der COP eine Chance, Ägypten ins weltweite Rampenlicht zu rücken, über die katastrophale Menschenrechtslage zu informieren und für Reformen zu mobilisieren“, erinnert sich Hossam Bahgat heute, geschäftsführender Direktor der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte (EIPR).
Immer noch tausende politische Gefangene
Tatsächlich hat die Weltpresse ihr Augenmerk nicht nur auf die Klimaverhandlungen gelegt, sondern auch auf die Menschenrechtslage in Ägypten, etwa auf die vielen politischen Gefangenen. Zwei von ihnen waren damals noch Safwan Thabet, Chef von Ägyptens größtem Molkerei- und Saftproduzent, und sein Sohn Seif el-Din. Beide saßen wegen angeblicher Verbindungen zur radikal-islamischen Organisation Muslimbruderschaft zwei Jahre in Haft – ohne Gerichtsverfahren. Im Januar wurden sie aus dem Gefängnis entlassen.
Hossam Bahgat, Menschenrechtler
Die internationale Aufmerksamkeit hat seither aber nachgelassen. Dabei zählt Amnesty International immer noch tausende politische Akteure, die willkürlich inhaftiert seien unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der 2013 mit dem Militär die Macht in Ägypten übernahm. Das gilt auch für Alaa Abdel Fattah, den bekanntesten ägyptischen Menschenrechtler. Er sitzt trotz eines Hungerstreiks und internationalen Drucks während der Klimakonferenz weiter im Gefängnis.
Eine Klimabewegung im engeren Sinne gibt es in Ägypten auch nach der Weltklimakonferenz nicht. Aktivist*innen würden eine Festnahme riskieren. Dennoch habe der Gipfel etwas verändert, sagt Haneen Shaheen, die sich seit 2016 in Ägypten für Klimaschutz einsetzt und Vorstandsmitglied der arabischen Sparte des globalen Dachverbands Climate Action Network ist. Viele Klimabewegte hätten sich in Scharm al-Scheich vernetzt, berichtet Shaheen der taz. Sie arbeite mittlerweile mit Menschen aus ganz Ägypten zusammen.
„Wir haben vielleicht eine andere Art von Aktivismus als alle anderen Länder“, sagt Shaheen. Es gehe weniger um Protest gegen die Regierung als um lokales Engagement, von der Säuberung von Stränden über den Schutz von Wildtieren bis hin zur nachhaltigen Landwirtschaft. Dabei arbeiten sie mit internationalen Unterstützer*innen, der UN oder auch dem ägyptischen Umweltministerium zusammen.
Der Klimagipfel hat die Klimakrise Shaheen zufolge auch in der ägyptischen Öffentlichkeit präsenter gemacht. „Endlich stand das Thema ganz oben auf der Tagesordnung“, sagt die Klimaschützerin. „Alle haben über die Umwelt gesprochen. Meine Mutter hat endlich verstanden, was ich mache.“
Befürchtungen, dass die Aktionen in Scharm al-Scheich den Fokus der Regierung verstärkt auf Umweltaktivist*innen gelenkt haben, haben sich für Shaheen bisher nicht bewahrheitet. „Es ist, als hätten sie all die Aktionen bei der COP vergessen“, sagt Shaheen. „Die Regierung scheint eine Pause von der Klimaproblematik einlegen zu wollen.“
Zwischen Erneuerbaren und Gas-Deals
Das kann auch einen anderen Grund haben: Ägyptens Wirtschaft. Das Land steht wirtschaftlich so schlecht da, dass kaum etwas anderes noch eine Rolle spielt. „Proteste gegen die wirtschaftliche Lage wären für die Regierung weitaus schlimmer als die Klimabewegung“, sagt Journalist Mohamed Ezz im erneuten Gespräch mit der taz einige Monate nach Ende der Klimakonferenz.
Dabei wäre Klimapolitik auch in Ägypten wichtig. Zwar liegen die jährlichen Kohlendioxid-Emissionen des Landes unter dem globalen Durchschnitt, seit 2000 steigen sie aber. Strom kommt immer noch zu 90 Prozent aus fossilen Energiequellen. Öl und Gas sind die beiden größten Exportschlager.
Das bevölkerungsreichste arabische Land ist selbst stark von der Klimakrise bedroht. Sie sorgt für Dürren und Nahrungsmittelknappheit sowie für Zerstörungen durch den steigenden Spiegel des Mittelmeers und des Roten Meers. Dem ägyptischen Klimaforscher Ahmed Eladawy zufolge spüren Landwirt*innen und Fischer*innen in Ägypten die Klimaauswirkungen jetzt schon. „Sie brauchen niemanden, der ihnen sagt, dass der Klimawandel existiert“, sagt er.
Die ägyptische Regierung setzt gleichzeitig auf den Ausbau erneuerbarer Energiequellen wie Solaranlagen oder Windräder und auf Gasdeals etwa mit der EU, die jetzt Gas aus Ägypten als Alternative zu russischem Gas kaufen will. Im vergangenen Sommer schloss die EU eine Absichtserklärung über ein Gasabkommen mit Ägypten, über dessen LNG-Terminals Gas nach Europa kommen soll.
Das kritisiert etwa Wahid, ein ägyptischer Menschenrechtler, der seit 2020 im Berliner Exil lebt und seinen vollen Namen aus Angst vor Verfolgung nicht öffentlich nennen will. Zum Weltklimagipfel in Ägypten hatte er die Initiative Occupy COP27 mitbegründet. Er fordert von Ländern wie Deutschland, keine Wirtschaftsbeziehungen mit Ägypten aufzubauen.
„Für Gas in Europa eine Diktatur mit einer anderen zu ersetzen ist keine Lösung“, sagt Wahid auf Anfrage der taz. „Das Wichtigste ist, dass die Regierungen, auch die deutsche, ihr Handeln ändern: keine neuen ‚grünen‘ Gasdeals mit Ägypten, keine weiteren Waffen für das Land ohne politische Forderungen in Richtung Verbesserung der Menschenrechtslage.“
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