: Advent des Investors
■ Die Deutsche Waggonbau, letzter Treuhandgroßbetrieb, wird an die US-Investmentfirma Advent verkauft
Berlin (taz/rtr) – Die Deutsche Waggonbau AG (DWA) soll bis Ende des Jahres an die US-Investmentfirma Advent International verkauft werden. Gestern abend wollte der Präsidialausschuß des Treuhand-Verwaltungsrats über den Vertrag mit der amerikanischen Holding abschließend beraten. In den sieben Fabriken der DWA sorgte die Nachricht gestern für Aufruhr. Als „richtigen Kapitalismus“ bezeichnete der sächsische IG-Metall-Bezirkschef Hasso Düvel die Pläne für die Privatisierung des letzten ostdeutschen Großbetriebs, der sich noch in Treuhand- Eigentum befindet. Die Äußerung meinte er, anders als die Treuhand, als Negativkritik: Der vollständige DWA-Verkauf sei eine „brutale Nacht-und-Nebel-Aktion“, die das Unternehmen außerhalb jeder staatlichen Sphäre bringe.
Übergangen fühlt sich bei den Plänen neben der Gewerkschaft auf der Aufsichtsrat der Deutschen Waggonbau. Dessen stellvertretender Vorsitzender Hartmut Tölle vermißte Informationen über die Einzelheiten des Verkaufs.
Diese Informationen erhielt gestern die Nachrichtenagentur Reuter. Demnach will Advent 250 Millionen Mark in fünf der sieben DWA-Standorte investieren, 2.400 von heute 6.600 Arbeitsplätzen sichern und die DWA bis zum Jahr 1999 an die Börse bringen.
Der Kaufpreis beträgt nach Angaben der Treuhandanstalt 112,8 Millionen Mark. Nach der Entschuldung und ohne Zuschüsse für die Restrukturierung auf 594,7 Millionen Mark. Die Treuhand beziffert ihren Gesamtzuschuß mit 500 Millionen Mark. Der Kaufpreis soll in Raten gezahlt werden; zunächst 28,2 Millionen Mark am 9. Januar. Für die Weihnachtsbescherung der Treuhandkassen mit der zweiten Rate von 84,6 Millionen Mark kann sich Advent bis 30 Tage nach Börseneinführung Zeit lassen. Spätestens aber bis zum 1. Januar 2005 muß das Geld dort sein und so lange ab 1995 mit acht Prozent jährlich verzinst werden. „Wenn diese Angaben stimmen, kommt der Verkauf einer Verschleuderung gleich“, meinte Aufsichtsrat Tölle gestern. Die Treuhand bezeichnete demgegenüber das Advent-Angebot als das beste von den 39 vorliegenden. Nach dem Advent-Konzept habe die DWA realistische Chancen, auf dem schrumpfenden Weltmarkt für Schienenfahrzeuge zu überleben, hieß es aus der Treuhand. Deren Präsidentin Birgit Breuel verwies darauf, daß die DWA immerhin als selbständiges Unternehmen erhalten bleibe und an die Börse komme.
Advent verspricht laut Treuhandpapier, die Standorte Ammendorf, Görlitz, Bautzen, Vetschau und Berlin zu erhalten. Heute unterhält die DWA außerdem noch Fabriken in Niesky, Dessau und Staßfurt. Die Geschäftsführung in Niesky erklärte, sie sehe keine Schließungsgefahr. Für 1995 zeichne sich eine „erfreulich hohe Auslastung“ ab, so daß das Unternehmen im kommenden Jahr die Gewinnschwelle überschreiten werde. Wenn Advent keine Garantie für Niesky gebe, bedeute das noch keine Schließung. Für dieses Jahr rechnet die Treuhand mit einem DWA-Umsatz von 1,074 Milliarden und einem Verlust von 43 Millionen Mark. dri
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