Adel: Bremen ohne Prinz
Bremen verliert sein Herrscherhaus: Die Hohenzollern verkaufen den Wümmehof, der bis vor kurzem die Generalverwaltung des "vormals regierenden Fürstenhauses" beherbergte. Höchste Zeit, ein bisschen Royality-Berichterstattung nachzuholen.
Gäbe es in Deutschland einen Kaiser, wäre er Bremer. Georg Friedrich von Preußen, der aktuelle Chef des Hauses Hohenzollern, kam 1976 an der Weser zur Welt. Nun ist der Prinz, zugegeben, überzeugter Republikaner. Aber noch sein Großvater Louis Ferdinand, der mit seinem Zuzug 1947 der Stadt zu unfreiwilligen dynastischen Ehren verhalf, ließ Zeit seines Lebens nie einen Zweifel: "Gegebenfalls" stünde er zur Thronbesteigung bereit.
Louis Ferdinand starb 1994. Zehn Jahre später zog die Generalverwaltung des Hauses Hohenzollern mit Prinz Georg Friedrich von Bremen nach Berlin - und nun steht auch noch der Wümmehof in Bremen-Borgfeld zum Verkauf, auf den sich jahrzehntelang die Hoffnungen der deutschen Monarchisten konzentrierten. Höchste Zeit also, um schnell ein bisschen Royality-Berichterstattung nachzuholen: Gerade die taz, die erst mit dem Aufstieg des Barons zu Guttenberg und seiner Frau, Barbie von Bismarck, zu den wirklich wichtigen Fragen der Zeit vordrang ( "Braucht die Politik mehr Adel?"), hat in diesen Dingen einen gewissen Nachholbedarf. Zumal wir endlich auch in Zahnarztwartezimmern regelmäßig gelesen werden wollen.
Also ran an den Aristokraten! Die erste Hürde ist das Bremer Telefonbuch: Zwischen "Petra Preuße" und "Harry-Otto Preusser" findet sich kein Eintrag, dabei müsste der derzeitige Bewohner des Wümmehofes, ein Prinz namens Christian, doch "Preußen" mit Nachnamen heißen. Aber kann man nicht auch "Herr Hohenzollern" sagen? Ganz zu schweigen von "Eure königliche Hoheit"?
Der Mann am anderen Ende der Leitung - irgendwer wusste doch die Nummer - macht sich die Sache leichter: "Wümmehof", meldet sich knapp eine tiefe Stimme. Ob er der Christian sei, also derjenige, der jetzt ausziehen müsse, und deswegen… "Sie können Prinz von Preußen zu mir sagen", outet sich die Stimme, "Herr von Preußen" sei aber auch okay. Keinesfalls jedoch etwas mit Hohenzollern: "So heißen wir nicht, wir haben uns schon vor Jahrhunderten getrennt", stellt der Prinz in Anspielung auf seine schwäbischen Cousins klar. Seit der spätere Kaiser-Clan nach Brandenburg auswanderte, heißen nur noch die Sigmaringer und Hechinger Familienzweige wie die Stammburg.
Wieder was gelernt. Aber um jetzt doch auf die aktuellen Zeitläufte zu sprechen zu kommen: Warum wird der Wümmehof verkauft? Und wohin zieht der Prinz? "Kein Kommentar", sagt ihre Königliche Hoheit, und bestätigt damit, was schon die Objektverwalterin der mit der Verkaufsabwicklung beauftragten Immobilienfirma angedeutet hatte: "Das Prinzenhaus will sich nicht äußern." In ihrer Diskretion hat das Maklerbüro sogar die öffentliche Ausschreibung von der Homepage genommen: Knapp 10.000 Quadratmeter Fläche, zwei Häuser, Garagen und Nebengebäude, für 1,5 Millionen Euro zu haben.
Platz konnte der alte Louis Ferdinand durchaus brauchen. Er hatte ein Pferd und sieben Kinder - von denen jetzt nur noch Christian zusammen mit seiner Frau Nina auf dem Gelände lebt. Also, Herr Prinz, bleiben Sie trotzdem in Bremen oder verliert die Stadt endgültig ihr einziges "vormals regierendes Herrscherhaus"? Herr von Preußen lässt sich nichts entlocken, wenn auch mit einer denkwürdigen Begründung: "Ich sage nichts, ich krieg eh nur Ärger."
Bei seinem Urgroßvater war das noch umgekehrt: Der machte jede Menge Ärger und lehrte andere das Fürchten. Zum Beispiel mit der berüchtigten "Hunnenrede", mit der Wilhelm II. sowohl bremische als auch Weltgeschichte geschrieben hat: "Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!", tönte der Kaiser, als er seine sich in Bremerhaven zur Bekämpfung des chinesischen "Boxer-Aufstands" einschiffenden Soldaten verabschiedete.
Bei so viel Geschichte schweift man leicht ab. Überlegt man, zurück im Hier und Jetzt, wer dem Bremer Prinzen heutzutage Ärger machen könnte, stößt man wieder auf Georg Friedrich. Das ist Christians Neffe, und der ist, trotz seiner 33 Jahre, dummerweise eben schon Chef des Hauses Hohenzollern. Und somit berechtigt, den Wümmehof auf den Markt zu werfen. Aber warum den Onkel gleich mit?
Die Generalverwaltung lehnt jede Stellungsnahme ab, auch die feudale Gerüchteküche gibt nicht all zu viel her - zumindest nicht für einen eher demokratisch orientierten taz-Redakteur. Doch selbst gewöhnlich gut unterrichte Foren wie www.promonarchie.de schweigen sich angesichts der umstürzlerischen Vorgänge dezent aus. Erklärbar ist hingegen, warum Christian nun zum Opfer der streng hierarchischen Binnenstruktur seiner Familie wird. Bis vor drei Jahren war er selbst Chef des Hauses, aber nur vertretungsweise - eben bis der Neffe 30 wurde und damit das Mindestalter für dynastische Oberhäupter erreichte. Und zum Alleinerben aller Familienliegenschaften avancierte. Georg Friedrich wiederum hat nur deshalb das Sagen, weil die beiden ältesten Kaiser-Urenkel für "erbunfähig" erklärt wurde. Sie heirateten keine Hochadligen, was die Grundsätze der Hohenzollernschen "Hausverfassung" eklatant verletzte. Das bestätigte selbst der Bundesgerichtshof und korrigierte damit das Oberlandesgericht Stuttgart, das die "Eheschließungsfreiheit" höher als die "Testierfreiheit des Erblassers" eingestuft hatte.
Jede gesellschaftliche Gruppierung hat eben ihre spezifischen Probleme. Der Bremer Prinz, in seinen jüngeren Jahren ein Freund starker Motorräder, steht nun quasi auf der Straße, wobei man das "quasi" betonen muss: Wie jeder namens Preußen erhält er eine kleine Apanage aus dem Familienvermögen, die offiziellen Angaben zu Folge jedoch "nicht zum Lebensunterhalt" langt. Was immer das konkret bedeutet. Bremens Zahnarztwartezimmer, das hingegen ist klar, sind um eine Attraktion ärmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier