■ Standbild: Adel verzichtet nicht
„Adel verpflichtet. Zurückgekehrt nach Ostdeutschland“, Do., 21.45 Uhr, ORB
Der von Ribbeck in Ribbeck im Havelland war ein guter Mann. Der bedachte nicht nur die Deerns mit süßen Birnen, sondern wußte auch, daß solche Güte nicht eben die Art von seinesgleichen ist: Er hegte begründete Zweifel an den lieben adligen Nachkommen. So ist denn auch der neue Ribbeck ein eitler Aufschneider, Handelsvertreter mit Hut, Audi und Solariumgattin, der Birnenschnaps signiert und der Ribbecker Bevölkerung offenbar gestohlen bleiben kann mit seinen tausend Birnbäumen, die er für ein paar Bild-Zeilen aufs Ribbecker Feld setzte.
Damit solche Herrschaften soignierten Blicks durch die Alleen schreiten und Rückübertragungsansprüche verkünden, hatten sie die realsozialistische Operettenherrschaft nicht vertrieben. LPGler mußten die Landwirtschaft aufgeben, da sie wegen des Restitutionsverfahrens keine langfristigen Verträge abschließen konnten. Und von Ribbeck (der neue) stellt sich vor die Kamera und jammert, wenn er Land und Herrenhaus nicht kriegt, sei er ja nur „ein nichtssagender Ribbecker Bürger“.
Wenn an der ganzen DDR- Klassenpropaganda überhaupt ein Fitzelchen dran war, dann in den Passagen über Junker und Großgrundbesitzer. Denen gehörte in der mecklen- und brandenburgischen Ebene nahezu alles – häufig offenbar inklusive der Dorfbevölkerung. Erst die Bodenreform der sowjetischen Besatzer machte dem ein Ende. Deshalb waren jene Gegenden die einzigen, in denen die SED bei freien Wahlen überhaupt respektable Ergebnisse einfuhr.
Leider erzählt Gabriele Michael Puals Film von jener Vorgeschichte wenig. Sie zeigt die verhinderten Erben, Bundeswehroffiziere, Handelsvertreter und Berkeley-Absolventen, denen ihr Erbe und ihre Heimat fremd geworden ist – und auch die Menschen, die dort leben. Die scheinen die Rückkehrer mit gewohnter Dickköpfigkeit zu nehmen. Die Erben der Großgrundbesitzer, das zeigen die Bilder, sind ganz normale bürgerliche Wessis geworden.
Einer ist anders: Im brandenburgischen Baruth wirtschaftet Julian Solms zu Graf Baruth und verteilt Wohltaten über das Dorf wie einst der Ribbecker seine Birnen: eine Getränkefabrik; eine Wohnsiedlung... Sogar auf seine Rückübertragungsansprüche hat der junge Wirtschaftsabsolvent verzichtet. Ein Märchen? Im Film schon. Lutz Meier
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