Ackermann-Party auf Staatskosten: Die Logik von Affären

Politische Geburtstagsessen sind nichts Ungewöhnliches. Wer die Regierung für zu bankennah hält, sollte nicht Spesen studieren - sondern die Finanzmarktgesetze.

Die Kanzlerin gratuliert dem Manager zum 60. Geburtstag: Angela Merkel und Josef Ackermann. Bild: ap

Die Zukunft der Europäischen Union wird am Vormittag schnell abgehandelt, dann wenden sich die Abgeordneten an diesem Mittwoch Wichtigerem zu. Der Nachmittag gehört im Haushaltsausschuss des Bundestages dem "personengebundenen Dienstkraftfahrzeug" der Gesundheitsministerin, den "externen Beratern" des Wirtschaftsministers, den "Kosten des Abendessens" bei der Bundeskanzlerin. Die Anwesenheit von Ulla Schmidt und Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Opposition "erbeten", auf die Präsenz Angela Merkels wird mit Rücksicht auf deren Terminkalender verzichtet.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Dienstwagen-Debatte auf andere Etatposten und Politiker ausweiten würde. Das ist die Dynamik von Affären. Auch längst Bekanntes erscheint dann in neuem Licht. "Manchmal müssen Dinge reifen, bis sie in der Öffentlichkeit begriffen werden", sagt dazu beschönigend die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch. Sie hatte das Essen, das Merkel voriges Jahr für den Bankmanager Josef Ackermann gab, schon im April zum Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage gemacht. Interessiert hat es damals niemanden.

Dass die politischen Spitzen der Republik für Personen des öffentlichen Lebens Geburtstagsessen geben, ist an sich nichts Ungewöhnliches - auch wenn diese repräsentative Aufgabe eher dem Bundespräsidenten obliegt. So ehrte Horst Köhler zuletzt nicht nur frühere Politiker wie Walter Scheel, Roman Herzog oder Theo Waigel, sondern auch den Althistoriker Christian Meier oder die Juristin und Kulturpolitikerin Jutta Limbach.

Für "repräsentative Verpflichtungen" stehen dem Präsidenten jährlich 754.000 Euro zur Verfügung, eine Summe, die auch "die Bewirtung mit Erfrischungen bei Besprechungen aus besonderem Anlass" abdecken soll. Im Etat des Kanzleramts umfasst der entsprechende Posten nur 340.000 Euro.

"Alle parlamentarischen Kritiker haben regelmäßig an vergleichbaren Abendessen auf Einladung des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin und einzelner Bundesminister teilgenommen", hielt der CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter deshalb am Dienstag den parlamentarischen Kritikern der Bundeskanzlerin vor - um beinahe beiläufig zum Kern der Debatte vorzudringen: "Gerade die Bundeskanzlerin hat stets die notwendige Distanz zu den wirtschaftlich Verantwortlichen in diesem Land bewahrt." Nur vordergründig geht es in Merkels Fall um jene 2.100 Euro, die sie an dem fraglichen Abend für Servicekräfte ausgab, weil sie über fest angestellte Kellner im Gegensatz zum Präsidenten und dessen "Hausintendanz" nicht verfügt.

Der für Merkel gefährliche Vorwurf lautet, sie pflege eine zu große Nähe zu Bankmanagern im Allgemeinen und zu Ackermann im Speziellen. Während sie im Wahlkampf das Verhalten der Banken kritisiere und schärfere Finanzmarktregeln fordere, feiere sie im Geheimen mit Ackermann eine "Sause". Dass der fragliche Empfang ein halbes Jahr vor Ausbruch der Bankenkrise stattfand, scheint den Eindruck argloser Kumpanei eher noch zu bestärken, zumal darauf hingewiesen wird, dass sich unter den 25 Teilnehmern kein einziger Vertreter des Koalitionspartners befand - sieht man einmal vom Präsidenten des Goethe-Instituts ab, der auf SPD-Ticket ins Amt gelangte.

Dass sich Merkel zuletzt auch über Ackermann entrüstete, etwa über dessen Verweigerung beim Banken-Rettungsfonds oder sein Festhalten an alten Renditezielen - das mochte man als Ausdruck enttäuschter Liebe interpretieren. Dass ausgerechnet Ackermann die aktuelle Debatte auslöste, indem er arglos über den netten Abend bei der Kanzlerin plauderte, dürfte Merkel in ihrem negativen Urteil über die PR-Fähigkeiten des Bankmanagers bestärkt haben.

Wer die Politik der Regierung, zu der auch das SPD-geführte Finanzministerium gehört, für zu bankennah hält - der sollte nicht die Spesenabrechnungen des Kanzleramts studieren, sondern die Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetze. Auch wenn das zweifellos mehr Mühe macht.

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