Ackerland in Ostdeutschland: Ausverkauf an Aldi-Erben
Wieder profitiert ein langjähriger Agrarlobbyist von einem Deal mit dem Discounter-Clan. Solche Investoren treiben die Bodenpreise in die Höhe.
![Ein grüner Streifen ist auf einem braunen Feld Ein grüner Streifen ist auf einem braunen Feld](https://taz.de/picture/3771348/14/Ackerland-Sachsen-Aldi-Agrarlobby.jpeg)
Der Betrieb in Sachsen bewirtschaftet nach einer Schätzung der taz auf Grundlage der je Fläche gezahlten Agrarsubventionen etwa 1.500 Hektar. Das ist viel, selbst in Sachsen, wo der Flächendurchschnitt der Agrarbetriebe mit 138 Hektar im Vergleich zu Westdeutschland schon sehr hoch ist.
Damit habe die Aldi-Stiftung nun zwei Agrarbetriebe, sagte Constantin Freiherr von Reitzenstein, Geschäftsführer der Boscor-Gruppe. Die Frage, ob weitere Käufe geplant seien, wollte er nicht beantworten. Ende Juni hatten die Aldis die Agrargenossenschaft Kayna in Sachsen-Anhalt gekauft.
Die Stiftung ist für Presseanfragen in der Regel nicht erreichbar. Wahrscheinlich kaufen die Aldi-Eigentümer die Agrarbetriebe aber nicht, um den Discounter zu beliefern. Vielmehr geht es ihnen wohl darum, ihr Milliardenvermögen nun auch in Agrarflächen zu investieren.
EU-Agrarsubventionen versprechen sichere Rendite
Weil Staaten und Banken kaum noch Zinsen etwa auf Anleihen zahlen, kaufen Konzerne zunehmend Äcker, die dank der größtenteils pro Hektar gezahlten EU-Agrarsubventionen sichere Rendite versprechen. Eine Studie des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts für Ländliche Räume zeigt, dass vor allem ostdeutsche Agrarunternehmen immer häufiger Ortsfremden gehören. Das traf Anfang 2017 auf 34 Prozent der 853 untersuchten Firmen in allen neuen Bundesländern zu. 2007 waren es erst 22 Prozent gewesen.
Agraraktivisten sprechen von Landgrabbing, also der illegitimen Aneignung von Land. Die Gewinne aus der Nutzung des Bodens fließen aus den Gemeinden ab. So wird der Wohlstand immer ungleicher verteilt. Den Gemeinden gehen Einnahmen verloren, denn überregionale aktive Kapitaleigentümer zahlen keine Ertrag- oder Einkommensteuer am Sitz ihrer Tochterunternehmen.
Zudem tragen die Käufer von außerhalb laut Aktivisten dazu bei, dass die Bodenpreise noch stärker steigen. Seit 2009 haben sich die Verkaufswerte von landwirtschaftlich genutztem Land laut dem Statistischen Bundesamt im Schnitt mehr als verdoppelt. Gerade kleine Bauern können in diesem Bieterkampf nicht mithalten. Dabei bieten ihre Höfe durchschnittlich mehr Arbeitsplätze pro Hektar und eine größere Vielfalt von Pflanzen und Tieren.
Neues Gesetz benötigt
Der Deutsche Bauernverband schweigt zum Thema Landgrabbing meist, offenbar auch weil mehrere aktuelle oder ehemalige Funktionäre der Organisation vom Ausverkauf der Landwirtschaft profitieren. So ist es auch in diesem Fall: Klaus Kliem war von 1990 bis 2012 Präsident des Thüringer Bauernverbands und anschließend Ehrenpräsident. Auch im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes saß der heute 71-Jährige. Zu DDR-Zeiten war er Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Tierproduktion Aschara, des Vorläufers seines heutigen Kernunternehmens. Kliem war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.
Der aktuelle Verkauf zeige, wie dringend die Bundesländer ein Gesetz verabschieden müssten, das solche Deals verhindert, sagte Michael Grolm, Vorsitzender der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL). „Wenn ein Discounter wie Aldi weiter auf Einkaufstour geht, werden zukünftig weder die heimischen Landwirte noch die Verbraucher oder die Bienen etwas zu lachen haben“, so Grolm.
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Die EU subventioniere solche investorgeführten Betriebe mit Hunderttausenden Euro Agrarsubventionen. So hat die Geithainer Landwirtschaftsgesellschaft mbH laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Jahr 2018 insgesamt 435.000 Euro Beihilfen erhalten. „Geld, das Aldi dringend braucht!?“, fragt die AbL.
Boscor-Chef Reitzenstein wies die Vorwürfe zurück. „Dass da Subventionen abgeschöpft werden, das ist einfach Unfug und Polemik“, sagte der Manager der taz. „Warum soll dieser Betrieb anders behandelt werden als der Nachbarbetrieb? Dafür sehe ich keine Rechtsgrundlage.“
Es sei wissenschaftlich belegt, dass außerlandwirtschaftliche Investoren die Landpreise nicht in die Höhe trieben. Natürlich würden die Eigentümer jetzt nicht mehr in der Region wohnen. Aber: „Ein Unternehmen dieser Größenordnung hat sich ein Landwirt vor Ort noch nie leisten können, und das wird er auch künftig nicht können.“
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