Abzug aus Afghanistan: Noch eineinhalb Jahre Nato-Krieg
Die USA und die Nato wollen ihren Kampfeinsatz in Afghanistan schon 2013 beenden. Die afghanische Regierung und Bevölkerung sind überrascht.
KABUL taz | Die USA wollen ihre Kampftruppen weit früher als geplant aus Afghanistan abziehen. Verteidigungsminister Leon Panetta legt nahe, dass die Mission am Hindukusch bereits im kommenden Jahr enden könnte und die USA dann lediglich eine unterstützende Rolle im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban wahrnehmen würden.
Auch die Nato will den Einsatz ihrer Kampftruppen in Afghanistan ab Mitte nächsten Jahres beenden. "Der Übergang wird im Verlauf des Jahres 2012 fortgesetzt, und wir erwarten, dass die letzten Provinzen an die afghanischen Sicherheitskräfte bis Mitte des Jahres 2013 übergeben werden", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Donnerstag in Brüssel. An einem Ende der Mission im Jahr 2014 solle aber festgehalten werden.
Der Vorstoß erstaunte viele in Afghanistan, die fest darauf gesetzt hatten, dass die Nato wie geplant noch bis Ende 2014 für die Sicherheit sorgt. "Wir hoffen, dass wir Mitte 2013 oder etwas später im Jahr von unserer Kampfaufgabe zu einer Rolle übergehen können, wo wir ausbilden, beraten und unterstützen", sagte Panetta auf dem Weg zur Nato-Tagung in Brüssel.
Es ist das erste Mal, dass die Regierung in Washington einen früheren Abzug in Aussicht stellt, um den nun über zehn Jahre dauernden Kriegseinsatz gegen die Aufständischen zu beenden. Auch Frankreich hatte kürzlich erklärt, es wolle seine Kampftruppen bis 2013 nach Hause holen.
Angst vor den Taliban
Im Moment haben die USA noch fast 90.000 Soldaten in Afghanistan stationiert. Bis Ende September sollen es nur noch 68.000 sein. Viele Afghanen fürchten, dass die afghanischen Sicherheitskräfte noch nicht in der Lage sind, eine führende Rolle im Kampf gegen die Taliban zu übernehmen.
Die Rekrutierung und Ausbildung der afghanischen Armee und Polizei läuft im Moment auf Hochtouren. Doch das ehrgeizige und teure Vorhaben wird durch die hohe Analphabetenrate unter den Soldaten und die starke Fluktuation der Kräfte erschwert. Viele Afghanen sind auch besorgt über die Entwicklung in Pakistan.
Ein am Mittwoch veröffentlichter Geheimbericht der Nato kommt zu dem Schluss, dass Pakistans Geheimdienst die afghanischen Taliban unterstützt und dass sich die Aufständischen bereits auf dem Weg zurück an die Macht sehen. Die Taliban hatten das Land zwischen 1996 und 2001 regiert, bevor das brutale Regime mit dem Einsatz der Nato gestürzt wurde.
Pakistan verwehrte sich gegen die Vorwürfe. Pakistans Außenministerin Hina Rabbani Khar erklärte, das islamische Land habe keine "geheime Agenda" für Afghanistan. Bei ihrem Besuch in Kabul im Mittwoch versicherte sie, Pakistan würde aufständische Islamisten-Gruppen wie die Taliban und die Haqqanis dazu ermutigen, mit der Regierung Frieden zu schließen, falls Afghanistan dies wünsche. Doch Khar zerstreute gleichzeitig Hoffnungen, dass der Friedensprozess zwischen Aufständischen und Regierung vor einem Durchbruch stünde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren