Abwahl von linkem Bürgermeister: Thüringer Eklat mit Ansage
Die SPD in Hildburghausen hat mit der AfD für die Abwahl von Linken-Bürgermeister Kummer gesorgt. Ein „politischer Flurschaden“, so Landeschef Maier.
Stadträtin Carolin Seifert trat daraufhin aus der Partei aus. Die AfD, der Kandidat des rechtsextremen „Bündnisses Zukunft Hildburghausen“, die aus ausgetretenen CDU-Räten bestehende Vereinigung „Pro Hildburghausen“, die Feuerwehr und eben die SPD beschlossen jedoch gegen die sechs Stimmen der Linken einen Bürgerentscheid.
Noch bevor dieser am vergangenen Sonntag stattfand, beschloss der SPD-Landesvorstand deshalb am 23. Februar ein Parteiordnungsverfahren gegen Stadtrat Ralf Bumann und seinen Sohn Michael. Ein Schiedsgericht muss nun über Parteistrafen bis hin zum Ausschluss befinden. Durch den äußerst knappen Bürgerentscheids verliert Tilo Kummer jetzt sein Bürgermeisteramt. 2.802 Bürger, also mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten, hätten sich laut Gemeindeordnung gegen ihn aussprechen müssen, 2.853 taten dies dann auch tatsächlich.
Kummer war 2020 im ersten Wahlgang mit 51,8 Prozent der Stimmen gewählt worden. Er gilt eigentlich als versierter Kommunalpolitiker und war lange in der Linksfraktion des Thüringer Landtags tätig. Die Gebietsreform, für die er sich während der ersten rot-rot-grünen Regierungszeit 2014 bis 2019 vehement eingesetzt hatte, scheiterte allerdings weitgehend. In Hildburghausen werfen ihm Gegner mangelnde Kommunikation, etwa mit der Feuerwehr, bei Bau eines Schwimmbads und einer Kita vor.
SPD-Landeschef Maier: Rote Linie wurde überschritten
Der SPD-Landesvorsitzende Maier bedauerte die Abwahl Kummers, die „großen politischen Flurschaden“ angerichtet habe. Insbesondere auf dem Weg dahin sei „die rote Linie überschritten worden“. Er verwies nochmals darauf, dass die Hürden zur Abwahl eines gewählten Bürgermeisters bewusst hoch angesetzt werden. Gemeinsam mit dem SPD-Kreisvorsitzenden Thomas Jakob hatte Maier wiederholt versucht, bei persönlichen Besuchen einen Ausgleich in Streitfragen herbeizuführen und die drei Stadträte umzustimmen. Kurz vor dem Stadtratsvotum wurde er allerdings krank.
Im Rückblick zeigt sich, dass der Thüringer Eklat einer mit Ansage ist. Bereits im August 2020 hatten sich SPD und rechte Fraktionen im Hildburghausener Stadtrat gegen den erst ein halbes Jahr zuvor gewählten Bürgermeister Kummer verbündet. Auch damals ging es um das Freibad und um den Neubau einer Kinderkrippe. Der damalige SPD-Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee schloss daraufhin jede Zusammenarbeit mit „Demokratieverächtern“ aus.
Persönliche Interessenverquickungen und ein vermeintlicher Südtthüringer Starrsinn ließen einen solchen Horizont bei den SPD-Stadträten offenbar nicht zu. Während der Pandemie blieb hier die Impfquote extrem niedrig, der Widerstand gegen staatliche Schutzmaßnahmen wuchs hingegen. Nicht von ungefähr kandidierte hier der jetzt vom CDU-Ausschluss bedrohte Hans-Georg Maaßen 2021 zur Bundestagswahl.
Und nur wenige Kilometer entfernt liegt Themar, wo auf einem AfD-Grundstück Nazikonzerte mit Tausenden Teilnehmern stattfanden. In einem Gasthof bei Kloster Veßra betreibt der ehemalige NPD-Aktivist Tommy Frenck ein Szenelokal und einen Versandhandel.
Richtigstellung
Die taz hat an dieser Stelle Tommy Frenck als NPD-Aktivist bezeichnet. Diese Behauptung ist falsch. Tommy Frenck ist nach eigenen Angaben im Frühjahr 2009 aus der NPD ausgetreten. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles