piwik no script img

Abtreibungsverbot in PolenNicht das letzte Wort

Kommentar von Gabriele Lesser

Polens Gesellschaft ist zerstritten. Das jüngst verschärfte Abtreibungsverbot ist ein Sieg für die katholischen Fundamentalisten.

Die polnische Polizei hält die Proteste gegen das Abtreibungsverbot unter strikter Kontrolle Foto: Agencjy Gazeta/reuters

D er Kulturkampf in Polen ist in vollem Gang. Letzte Woche konnten die katholisch-fundamentalistischen Hardliner der regierenden Nationalpopulisten einen weiteren Sieg für sich verbuchen. Das ohnehin sehr restriktive Abtreibungsrecht wurde weiter verschärft. Dieses Mal war es nicht das Parlament, das über die schwierige ethische Frage debattierte, ob das Leben eines schwerstbehinderten Fötus höher zu bewerten sei als das Leben einer Frau.

Dieses Mal war es das von der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) kontrollierte Verfassungsgericht, das durch die Hintertür ein Gesetz aus dem Jahre 1993 für verfassungswidrig erklärte. In der Vergangenheit hatten die Frauen mit ihren landesweiten „schwarzen Protesten“ immer wieder die Debatten im Parlament gewonnen. Dieses Mal – in Coronazeiten – waren Massendemonstrationen verboten.

Zahlreiche Frauenorganisationen wandten sich zwar mit Eingaben und offenen Briefen an das Verfassungsgericht, auch der Bürgerrechtsbeauftragte Adam Bodnar und zum ersten Mal 600 Ärzte. Doch es nutzte alles nicht. Die Mehrheit der 15 Richter, von den 14 von der PiS-Mehrheit im Sejm, der Abgeordnetenkammer, ernannt wurden, stimmte für „die Wiedereinführung der Folter in Polen“, wie Frauenrechtlinnen sagen.

Die ungeheure Wut, die das Urteil ausgelöst hat, könnte sich aber gegen die PiS richten, wenn der Protest nicht wieder ins Leere läuft. Nach den gewonnenen Schlachten hatten sich die Frauenorganisationen immer wieder beruhigen lassen, dabei ging es Wochen später von vorne los: Es sind einige katholisch-fundamentalistische Organisationen, die Polen gekapert haben.

Sie sind eine Komplizenschaft mit der PiS eingegangen, die ständig neue Feinde erfindet, um dann wegen der angeblichen „Verteidigung der polnischen Werte“ oder der „polnischen Souveränität“ ihre höchst eigenen Interessen durchzukämpfen. Beiden geht es um Macht. Je zerstrittener eine Gesellschaft ist, desto weniger kann sie sich wehren gegen die Vereinnahmung durch radikale Gruppen, die zwar keine Mehrheit in der Gesellschaft haben, aber die Machtstrukturen eines Staates für sich auszunutzen verstehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondentin Polen
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Wären es Männer und nicht Frauen, die schwanger werden könnten, dann hätte man schon längst irgendeinen Psalm, eine Sure usw. gefunden, die sich als Abtreibungserlaubnis in manchen Fällen auslegen ließe.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wir wollen mal nicht vergessen, der Papst unterstützt die Ziele dieser radikalen Fundamentalisten.