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Abtreibungsrecht in PolenKein großer Wurf

Kommentar von Barbara Oertel

Die neue Regierung in Polen weicht das harte Abtreibungsverbot ein klein wenig auf. Das wurde auch Zeit, denn den Frauen reißt der Geduldsfaden.

Protest vor dem polnischen Parlament im Juli 2024: Die Frauen fordern eine Liberalisierung des Rechts auf Abtreibung Foto: Czarek Sokolowski/ap

D ie Aushöhlung demokratischer Institutionen und die Demontage des Rechtsstaates, die die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) während ihrer achtjährigen Regierungszeit in Polen erfolgreich bewerkstelligt hat, ist nicht über Nacht zu reparieren. Das müssen mittlerweile auch all jene einsehen, die den Machtwechsel zu einer Regierung des Liberalen Donald Tusk infolge der Parlamentswahlen vom Oktober 2023 möglich gemacht haben.

Demgegenüber reißt Millionen Frauen, die landesweit und lautstark gegen das Abtreibungsgesetz – weltweit eines der restriktivsten – auf die Straße gegangen waren, langsam der Geduldsfaden. Zu Recht. Denn entgegen anders lautenden Versprechen im Wahlkampf, hier eine Liberalisierung voranzutreiben, ist Tusk bislang im Verzug. Und das reichlich.

Die Gründe dafür sind offensichtlich. Eine Parlamentsabstimmung im vergangenen Juli hat gezeigt, dass nicht einmal alle Par­tei­gän­ge­r*in­nen Tusks davon überzeugt sind, entsprechende Reformen durchzuziehen. Ganz zu schweigen vom Koalitionspartner Dritter Weg, der in dieser Frage ohnehin nach Kräften mauert. Selbst wenn das anders wäre, ist da Polens PiS-affiner Staatschef Andrzej Duda. Der ist immerhin noch bis zur nächsten Präsidentenwahl im Frühjahr 2025 im Amt. Er wird im Fall der Fälle auch hier gnadenlos von seinem Vetorecht Gebrauch machen.

Dermaßen im Zangengriff bleibt Tusk da nur noch die normative Kraft des Faktischen. Im vergangenen Juni wurde ein Krankenhaus, das eine Abtreibung verweigert hatte, mit einer Geldstrafe belegt. Jetzt sollen neue Regierungsrichtlinien den Zugang zu einer Abtreibung partiell erleichtern. Zugegeben: Der große Wurf ist das nicht, aber immerhin ein Anfang.

Einer Umfrage vom vergangenen April zufolge sind nur 14 Prozent der Befragten dafür, das quasi totale Abtreibungsverbot beizubehalten. Das macht Tusks Dilemma deutlich: Er wird liefern müssen. Andernfalls könnten die Ergebnisse der nächsten Parlamentswahlen für ihn bitter ausfallen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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3 Kommentare

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  • Schon klar, diese verdammte Religion!

  • Duda zwingen, sich gegen das populäre Gesetz öffentlich zu stellen oder einzuknicken. Das ist Schritt 1.



    Dafür muss aber eine gesichtswahrende Konstruktion für den Koalitionspartner geschaffen werden, etwa Beratung, mehr Hilfen für Schwangere zugleich. Schritt 0.



    Die katholische Kirche da spalten wäre die hohe Kunst.

  • Man könnte schon dazuschreiben, dass Tusks Koalition eben nicht 86% der Wähler*innenstimmen bekommen hat, und es darum eben nicht am Willen fehlte, das Wahlversprechen umzusetzen. Die Koalition kam nur mithilfe zweier konservativer Kleinparteien zustande, die jede Liberalisierung der Abtreibung verweigern. Wenn die mangelnde parlamentarische Mehrheit also dazu führte, dass Tusks Koalition bei den nächsten Wahlen weniger Stimmen bekäme, dann würde wahrscheinlich eher wieder die PiS regieren – und die Abtreibung wie manches andere Recht eher erneut verschärfen.