Abtreibungen in Deutschland: Keine schnelle Legalisierung
Eine ExpertInnenkommission empfiehlt die Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Die zuständigen Ministerien reagierten am Montag zurückhaltend.
Nach den Empfehlungen einer ExpertInnenkommission zur möglichen Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sind kurzfristige Neuerungen vonseiten der Ampelkoalition nicht zu erwarten.
Die 18-köpfige Kommission hatte im Auftrag der Bundesregierung unter anderem geprüft, ob und wie Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden könnten. Die ExpertInnen kommen zu dem Schluss, dass das bisher geltende grundsätzliche Abtreibungsverbot „nicht haltbar“ sei. Am Montag übergaben sie ihren Abschlussbericht offiziell an die drei beteiligten MinisterInnen.
Die reagierten mit Zurückhaltung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lobte zwar die „hervorragende“ Arbeit der Kommission. Er sagte aber zugleich, für Veränderungen brauche es einen „breiten gesellschaftlichen und natürlich auch parlamentarischen Konsens“. Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, die Empfehlungen der Kommission böten eine „gute Grundlage“ für den nun nötigen offenen Diskurs.
Und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte an, die Bundesregierung werde den Bericht zunächst „gründlich auswerten“. Was man nicht gebrauchen könne, seien Debatten, „die die Gesellschaft in Flammen setzen“. Um nun das weitere Verfahren festzulegen, so Buschmann, sei es zu früh.
Im Wahlprogramm hatten sowohl Grüne als auch SPD die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gefordert. Doch ganz offensichtlich scheut die Ampelkoalition im Superwahljahr die politische Kontroverse.
Mehrheit der Bevölkerung für Liberalisierung
Dabei sprechen die gesellschaftlichen Mehrheiten klar für eine Legalisierung: Ebenfalls am Montag konnte die taz exklusiv Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Bundesfrauenministeriums einsehen. Derzufolge halten es mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. Rund 75 Prozent finden zudem, dass Abbrüche künftig eher nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden sollten.
Bemerkenswert ist, dass die WählerInnen aller im Bundestag vertretenen Parteien die Rechtswidrigkeit von Abbrüchen deutlich ablehnen. Selbst bei der Union, die keine Legalisierung von Abtreibungen will, sind es 77,5 Prozent, bei der AfD 67,4 Prozent. 93,9 Prozent der Linken-WählerInnen und 92,4 Prozent der Grünen-WählerInnen halten die Rechtswidrigkeit für falsch, unter SPD-WählerInnen sind es 87,5 Prozent.
Während die MinisterInnen erst jetzt Stellung zu den Empfehlungen der Kommission nahmen, werden diese schon seit Bekanntwerden vor einer Woche gesellschaftlich kontrovers diskutiert. Am Montag nun sprach sich die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, gegen eine Legalisierung von Abbrüchen aus. „Wir halten es nicht für richtig, dem Embryo in den ersten Wochen keinen Schutz mehr zu geben.“
Gökay Akbulut, Sprecherin für Frauenpolitik der Gruppe Die Linke im Bundestag, sagte: „Wir fordern die Bundesregierung auf, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren“. Abbrüche müssten „ein normaler Teil der gesundheitlichen Versorgung werden – ohne Zwangsberatung und Wartepflicht“.
Frauenrechtsorganisation mit klarer Haltung
Auch Sina Tonk von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes sagte, es sei längst überfällig, „dass der frauenfeindliche Paragraf 218 endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird“. Jede Frau müsse frei entscheiden können, ob, wann und mit welcher medizinischen Methode sie eine Schwangerschaft abbrechen möchte. Jede Frau habe Anspruch auf kostenlose und qualifizierte Betreuung.
Katharina Masoud, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit bei Amnesty International, sagte: „Die Bundesregierung muss endlich handeln und die deutsche Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen mit internationalen menschenrechtlichen Standards in Einklang bringen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich