■ Gastkommentar: Absurde Fußnote
Weihnachten 1994. Der Bezirk Hamburg Mitte ist bauwagenfrei. Ganz? Nein! Ein von unbeugsamen St. PaulianerInner bevölkerter Platz mit sechs bunten Wägelchen trotzt im Karoviertel den Angriffen der Bezirksvorderen Julius Reichel, Brutus Kleist und ihrer Legionen. Kaum ein Vergleich wird diese Fußnote der hamburgischen Geschichte absurder beschreiben können, als sie tatsächlich ist.
Sechs Bauwagen stehen auf einem unbebaubaren Grundstück, keinen stört es. Zehn Monate betteln die Bewohner um Gespräche – einmal zuhören ist alles, erreicht wird nichts. Der Rechtsweg: 1. Instanz Verwaltungsgericht Hamburg (VG): Klarer Sieg für die Bewohner. 2. Instanz, Oberverwaltungsgericht (OVG): Zur Halbzeit Vorteile für die Behörde. In der Pause schwere Randale im Viertel. Innensenator ist Mensch und verhindert schlimmeres. Sondersitzung des Innenausschusses, Verfahren wegen „Strafvereitelung im Amt“ gegen den Senator: Fouls der eigenen Genossen.
2. Halbzeit, 90. Minute, Eigentor durch Rechtsdezernent Cramer, Schußpfiff, Remis, das Aus – die Bauwagen können stehenbleiben! Stille Nacht im Bezirksamt. Was jetzt notwendig ist, ist vernunftbetontes Handeln, Luft für diejenigen, die still verhandeln und Politik versuchen. Außerdem gibt es einen weiteren Grund, das Wohnwagengesetz zu ändern, denn wie schrieb doch der weise III. Senat des OVG: „Ob das in seiner heutigen Fassung aus dem Jahre 1959 stammende Wohnwagengesetz in dieser Form noch in die heutige Zeit paßt und ggf. zu ändern bzw. aufzuheben, ist allein eine Frage, für die der Gesetzgeber zuständig ist.“
Hermann Müller
(Bericht Seite 18)
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