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Abstimmung im polnischen SenatHeikles Holocaust-Gesetz beschlossen

Drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe droht in Polen künftig, wenn jemand dem Staat öffentlich eine Mitschuld an NS-Verbrechen zuschreibt.

Verschleierte Erinnerung Foto: dpa

Warschau dpa/afp | Polens Regierung treibt trotz scharfer Proteste aus Israel ihr umstrittenes Holocaust-Gesetz voran. Am frühen Donnerstagmorgen stimmte mit dem Senat auch die zweite Parlamentskammer für die neue Vorschrift, wie die staatliche Nachrichtenagentur PAP meldete. Diese Vorschrift sieht Geldstrafen oder bis zu drei Jahre Haft vor, wenn jemand unter anderem öffentlich und entgegen den Fakten dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für vom „Dritten Reich“ begangene Nazi-Verbrechen zuschreibt oder für andere Verbrechen gegen den Frieden oder die Menschheit oder für Kriegsverbrechen.

Die israelische Regierung hatte am Wochenende gegen das Gesetz protestiert, das nach ihrer Ansicht zur Verschleierung polnischer Verbrechen an Juden im Zweiten Weltkrieg beitragen könnte. „Man kann die Geschichte nicht ändern, und der Holocaust kann nicht geleugnet werden“, erklärte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.

Gegner des Gesetzes bemängeln, das Gesetz sei unpräzise formuliert. Dies könne von Regierenden benutzt werden, um Fälle, bei denen die Verantwortung von Polen bei Verbrechen an Juden nachgewiesen wurde, zu leugnen, warnen sie. Die Warschauer Regierung streitet das ab und argumentiert, sie wolle Polens Ruf verteidigen und sich unter anderem gegen die oft nachlässig gebrauchte historisch falsche Bezeichnung „polnische Todeslager“ für deutsche Vernichtungslager der Nazis im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs wehren.

Man kann die Geschichte nicht ändern, und der Holocaust kann nicht geleugnet werden

Benjamin Netanjahu

Auch das US-Außenministerium zeigte sich am Mittwoch besorgt über das Gesetz. Eine Sprecherin erklärte, die US-Regierung befürchte, dass das Gesetz der Redefreiheit und der historischen Debatte schaden könne. Zugleich warnte sie Warschau vor möglichen „Auswirkungen“ auf die „strategischen Interessen und Beziehungen Polens, auch was die USA und Israel angeht“.

Senatsmarschall Stanislaw Karczewski betonte, Polen wolle einen Dialog mit Israel führen und seine Intentionen und Ziele in Bezug auf das neue Gesetz erklären. Die Reform bedarf zum Inkrafttreten noch der Unterschrift von Präsident Andrzej Duda.

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4 Kommentare

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  • Wir Deutschen sollten da nicht zu laut kritisieren. Schließlich hat Polen unser Ausschwitz-Leugner Gesetz kopiert. Wer die offizielle historische Wahrheit leugnet, macht sich strafbar. Das war quasi unser erstes Fake-News Gesetz.

    Ein Gesetz gegen Ausschwitz-leugnende Neonazis klingt gut. Übertragen auf andere Aspekte wird klar, dass dies ein Schritt in eine gefährliche Richtung war.

    • @Velofisch:

      Sie haben es mir erspart, meinen Kommentar abzuschicken. Danke

  • Es ist ja nicht zu leugnen, das rechtspopulistische und offen faschistische Parteien und Regierungen Dilletantismus an den Tag legen, aber Polen wird nun vollends durch die Regierung des rechtspopulistischen Pis(S)opas besudelt.

    Polen ist als das wohl am meisten durch Nazideutschland maltretierte Land gewesen und das dabei Polen zur Judenvernichtung vergewaltigt wurde, aber teils auch willige es bereitwillig befolgten, wie in den anderen besetzten Ländern auch, ist absolut nicht abzustreiten.

    Die Hauptschuld daran und für den ganzen Terror des 2. Weltkriegs trägt dabei selbstverständlich weiterhin allein Deutschland.

  • Die israelischen Medien oder Politiker sagen auch nie "German" oder "Germans", sondern immer "Nazi" oder "Nazis" - wie erreicht man solch penible Semantik?