Absicherung von Selbstständigen: Rauswurf ohne Vorwarnung
Das Bundessozialgericht bestätigt die strengen Regeln für Selbstständige. Wer drei Monate nicht einzahlt, der fliegt aus der Arbeitslosenversicherung raus.
KASSEL taz | Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Mittwoch eine strenge Regelung der freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige bestätigt. Die Essenz des Urteils: Wer länger als drei Monate mit den Beiträgen im Verzug ist, fliegt raus. Die Bundesagentur für Arbeit ist nicht verpflichtet, die säumigen Zahlungen zuvor anzumahnen. Wer selbstständig ist, muss sich also auch selbst um rechtzeitige Überweisungen kümmern.
Mit dem Urteil wies das BSG die Revision einer Selbstständigen zurück, die die Fortführung ihrer Arbeitslosenversicherung einklagen wollte. Sie war ab Mai 2007 mit ihren Zahlungen in Rückstand geraten. Gesundheitsprobleme und Arbeitsüberlastung hätten dazu geführt, hieß es in der Verhandlung in Kassel. Im Oktober 2007 wollte die Frau die Beiträge für die versäumten Monate nachzahlen. Laut BSG ging das Geld just an dem Tag ein, an dem die Bundesagentur den Bescheid über das Ende der Versicherung ausstellte. Der Termin sei in jedem Fall zu spät gewesen, stellte der Vorsitzende Richter klar.
Die Möglichkeit, sich bei Existenzgründung gegen Arbeitslosigkeit abzusichern, besteht erst seit Anfang 2006. Sie wurde im Zuge der Hartz-Gesetze geschaffen und sollte Gründungen unterstützen. Im ersten Jahr bewilligten die Bundesagentur 75.813 Aufnahmeanträge, 2010 waren es 95.670. Grundsätzlich können Anwälte die Versicherung ebenso nutzen wie freie Journalisten oder Kioskbesitzer. Allerdings gelten schon bei der Aufnahme knappe Fristen und Ausschlussregeln. Grob gesagt: Nur wer als Angestellter schon eingezahlt hat, kann auch als Selbstständiger in die Versicherung. Und steigende Beiträge legen Interessenten mit kleinen Einkommen neue Hürden in den Weg.
Lag der pauschale Beitrag 2010 in Westdeutschland noch bei 18 Euro im Monat, sind es nun knapp 40. 2012 sollen die Beiträge auf knapp 80 Euro steigen, heißt es bei der Gewerkschaft Ver.di. De facto werde die freiwillige Versicherung damit für "ganz viele Leute dichtgemacht", heißt es dort. Seit Jahresbeginn gilt: Die Versicherung lässt sich nach fünf Jahren kündigen. Bis zum heutigen 31. März sei eine Sonderkündigung möglich, heißt es auf der Website der Ver.di-Selbstständigenberatung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken