Abschied von Queen Elizabeth II.: Die Welt zu Gast bei einer Toten
Die Trauerfeier für Queen Elizabeth II. in der Westminster Abbey war auch ein internationales Gipfeltreffen – mit dem Commonwealth an erster Stelle.
Dies war nicht nur das Begräbnis der Queen. Es war das Begräbnis der Oberbefehlshaberin der britischen, kanadischen, australischen und neuseeländischen Streitkräfte, des Oberhaupts der weltweiten anglikanischen Kirche und des Oberhaupts des Commonwealth, jener längst dem britischen Empire entwachsene Staatenbund von über zwei Milliarden Menschen. Es war eine religiöse, militärische und politische Zeremonie in einem.
Protokollfragen sind Machtfragen. Dieser Tag gehörte dem Empire, seinen Erben und Gleichrangigen; alles andere war zweitrangig. US-Präsident Joe Biden durfte zwar als Einziger im eigenen gepanzerten Wagen kommen, während alle anderen Staatschefs in Sammelbussen angekarrt wurden – die meisten ließen sich in der Luxuslimousine in die Nähe fahren, auch Frank-Walter Steinmeier aus Deutschland, und stiegen erst für die öffentlich sichtbare Strecke in die Busse um. In der Kirche aber saß Biden in Reihe 14, irgendwo zwischen seinen Amtskollegen aus Polen, Tschechien und Südkorea.
Großbritanniens neue Premierministerin Liz Truss durfte zwar aus der Bibel lesen. Jedoch kam vor ihr die Generalsekretärin des Commonwealth dran, die wortgewaltige Baroness Scotland von der Karibikinsel Dominica. Sie schmetterte den 2.000 Gästen die Bibelpassagen über „Tod, wo ist dein Stachel?“ mit voller Wucht entgegen. Vor den Präsidenten wurden Europas Königsfamilien platziert, angeführt vom Fürsten von Monaco und der Herzogin von Luxemburg.
Erdoğan sagt in letzter Minute ab
Ob diese Trauerfeier wirklich die größte Zusammenkunft von Staats- und Regierungschefs in der Weltgeschichte gewesen ist, wie manche britische Medien behaupten, bleibt dahingestellt. Aber wann sonst sitzen der Kaiser von Japan, der König von Lesotho und der Außenminister der Türkei gemeinsam in einer Kirche? Zu welcher anderen Gelegenheit würden die Präsidenten Macron und Bolsonaro nicht einmal auffallen? Und weil Protokollfragen eben Machtfragen sind, sagte der türkische Präsident Erdoğan in letzter Minute ab – man hatte ihm verboten, im eigenen gepanzerten Wagen vorzufahren. Die Präsidenten von Russland und anderer Parias der Welt wurden gar nicht erst geladen. Der kontroverse saudische Kronprinz Bin Salman ließ sich vertreten, was Charles III. peinliche Fotos ersparte; nicht aber der kaum weniger kontroverse Vizepräsident der Volksrepublik China. Die Ukraine schickte ihre First Lady.
Bis zu 250 Staats- und Regierungschefs oder deren Vertreter drängelten sich schon am Sonntagabend zum Empfang im Buckingham Palace und kamen dann auch zur Westminster Abbey. Für die neue britische Premierminister Liz Truss, die erst zwei Tage vor dem Tod der Queen von dieser ihr Amt bekam, war all das eine unverhoffte Gelegenheit zum Speed Dating. Treffen mit den Regierungs- oder Staatschefs von Australien, Irland, Kanada, Neuseeland, Polen, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten bestätigte das Büro der Premierministerin am Sonntag.
Am Sonntagabend allerdings wurde das Treffen mit US-Präsident Biden auf Mittwoch vertagt, am Rande der UN-Generalversammlung in New York, die am Dienstag beginnt. Diese Tage gehören der Queen, nicht der Premierministerin. Beim irischstämmigen Biden dürfte das Nordirland-Protokoll des Brexit-Abkommens eine zentrale Rolle spielen: Truss will es abschaffen, in Washington wird das nicht goutiert.
Aber gewählte Politiker sind vergänglich, die Monarchie jedoch ist ewig – so denkt sie jedenfalls. Mit König Charles (73), Kronprinz William (40) und dessen ältestem Sohn George (9) in der ersten Reihe der Westminster Abbey war der Weg bis ins 22. Jahrhundert vorgezeichnet. Die Krone und andere Insignien königlicher Macht oben auf dem Sarg sollten am Abend in Windsor abgenommen werden, damit sie in Verwahrung kommen bis zur Krönung von Charles III. Die Königsflagge hängt längst nicht mehr auf halbmast. Die Queen ist tot, das Leben geht weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge