Abschiebungen nach Afghanistan: Flug ins Kriegsgebiet
Das Innenministerium zwingt erneut Asylbewerber zur Ausreise nach Kabul. Manche stammen aus dem Iran und waren noch nie in Afghanistan.
![Ein Flugzeug vor rosafarbenem Himmel Ein Flugzeug vor rosafarbenem Himmel](https://taz.de/picture/2431834/14/19096636.jpeg)
Die Kategorien treffen jedoch offenbar nicht auf alle Abschiebekandidaten zu: Einer der Männer gehört der bedrohten Minderheit der Hazara an. Laut seiner Berliner Anwältin Myrsini Laaser ist seine Familie vor vierzig Jahren in den Iran geflohen, wo er geboren wurde. In Afghanistan war er noch nie. „Er hat sich mehrmals um einen Pass beim afghanischen Konsulat bemüht, bekam aber keinen, da er keine Tazkira hat“, sagt Laaser. Die Tazkira ist ein afghanischer Identitätsnachweis, der ohne Familie in Afghanistan kaum zu beschaffen ist. Darauf habe ihr Mandant die Ausländerbehörde auch hingewiesen.
Dennoch wurde er am Dienstag in Abschiebehaft genommen, ihm wird hartnäckige Identitätsverweigerung vorgeworfen. Laaser will mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht dagegen vorgehen. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte Laaser im Oktober die Abschiebung eines Mandanten vorerst verhindern können. Auch er war Hazara und wurde im Iran geboren. Sein Fall wird derzeit noch von den Gerichten geprüft.
Der bayerische Flüchtlingsrat sieht bei zwei weiteren Fällen ebenfalls keine Identitätsverweigerung vorliegen. Bei einem verhafteten Afghanen liegt eine gültige Tazkira vor, das Amtsgericht in Bayreuth hatte daher einer Verhaftung nicht zugestimmt, dafür aber das Bayreuther Landgericht. Bei einem zweiten Abschiebekandidaten liege ebenfalls eine Tazkira vor, sagte Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat der taz. Nach seinen Informationen sollen aus Bayern acht weitere Personen abgeschoben werden. Dünnwald hält die weitgefasste Auslegung der Kategorie „hartnäckige Identitätsverweigerer“ für unverhältnismäßig, da viele im Iran geborene Afghanen keine Identitätsnachweise haben: „Die Politik muss klarstellen, was genau damit gemeint ist, damit nicht doch wieder jeder Afghane abgeschoben werden kann.“
Nach einem schweren Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul im Mai dieses Jahres waren die Abschiebungen nach Afghanistan zunächst ausgesetzt worden. Im Oktober startete dann trotz Landewarnungen für den Kabuler Flughafen eine Sammelabschiebung vom Leipziger Flughafen. Laut Medieninformationen behandelt das Bundesinnenministerium Abschiebungen nach Afghanistan mit politischer Priorität. Am Donnerstag und Freitag findet in Leipzig die Innenministerkonferenz statt. Dort soll auch darüber diskutiert werden, ob ab 2018 nach Syrien abgeschoben werden kann.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss