Abschiebung in letzter Minute verhindert: Todesflug abgeblasen
Die Abschiebung des iranischen Studenten Ehsan Abri ist abgewendet worden - nicht zuletzt dank Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD).
HAMBURG taz | Die Abschiebung des iranischen Studenten Ehsan Abri ist in der Nacht zum Montag von Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich (CSU) gestoppt worden. Abri sollte am Morgen aus dem Abschiebeknast in Rendsburg nach Hamburg gebracht und dort vom Fuhlsbütteler Airport mit dem Flug „Lot 400“ begleitet von Bundespolizisten ins ungarische Budapest „zurückgeführt“ werden, wo ihm die Ausweisung in den Iran gedroht hätte. Dort hätte dem 25-jährigen Kommunisten und Homosexuellen die Hinrichtung gedroht.
Dem Veto des Innenministers war eine beispielhafte konzertierte Aktion vorausgegangen, in die sich am Sonntag auch Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) einschaltete. In einem Brief forderte er Friedrich auf, sich für „eine humanitäre Lösung“ einzusetzen.
Zunächst hatte sich der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein für Abri stark gemacht, als bekannt geworden war, dass die iranische Polizei und der Geheimdienst nach ihm fahnden. Abri war im Mai aus dem Iran nach Ungarn geflohen. Offiziellen Angaben zufolge hat er dort einen Asylantrag gestellt, was er selbst bestreitet. Abri ist dann bei dem Versuch, mit der Bahn von Hamburg nach Kopenhagen zu reisen, von der Bundespolizei aufgegriffen worden.
Homosexualität ist strafbar: Seit der Islamischen Revolution 1979 wurden im Iran mehr als 4.000 Schwule hingerichtet.
Die Strafe für homosexuellen Verkehr ist die Todesstrafe.
Beischlafähnliche Handlungen zwischen zwei Männern ohne Penetration werden mit 100 Peitschenhieben bestraft.
Schwules Küssen wird mit bis zu 60 Peitschenhieben bestraft.
Für lesbischen Sex drohen 100 Peitschenhiebe - oder, beim vierten Mal, die Todesstrafe.
Wie er selbst sagte, war er auf den Weg zu seiner Lebensgefährtin in Schweden. Seine Festnahme im Zug fällt in den Wirkungsbereich der Bundespolizei, für die das Bundesinnenministerium verantwortlich ist. Er kam nach Rendsburg in Abschiebehaft.
Der in Deutschland gestellte Asylantrag ist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als unzulässig abgelehnt worden, weil nach dem europäischen Dublin II-Abkommen Ungarn als Einreiseland für Abri zuständig ist. Das BAMF stellte daraufhin bei den ungarischen Behörden einen Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens, dem Ungarn formal auch zustimmte.
„In Ungarn finden regelmäßig Abschiebungen in den Iran statt“, sagt Martin Link, Geschäftsführer Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein. Die Asylanträge würden weder geprüft noch gebe es Schutz vor einer Ausweisung in Drittländer. Das sei nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof eine rechtswidrige Praxis.
Am Wochenende schaltete sich die Politik ein. Der grüne Bundestagsabgeordnete Arfst Wagner sowie die Landtagsabgeordneten der Piratenpartei, Angelika Beer und Wolfgang Dudda, kündigten an, sie würden sich der Abschiebung in Rendsburg in den Weg stellen. Das rief Innenminister Breitner auf den Plan: Er bat Friedrich, eine Rücküberstellung nach Ungarn abzuwenden und vom Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschlands nach dem Dubliner Übereinkommen Gebrauch zu machen. „Die Sorgen des Betroffenen, breiter Unterstützerkreise und des Landes Schleswig-Holstein sind, dass Ehsan Abris Asylgründe, die für ihn als mit einer hohen Schutzquote versehenen Iraner in Deutschland zu einem Aufenthaltsrecht führen würden, in Ungarn nicht anerkannt werden“, schrieb er seinem Berliner Kollegen.
In der Nacht zum Montag wurde die Abschiebung gestoppt, Abri zunächst nach Lübeck gebracht, aus der Abschiebehaft entlassen und dem Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Neumünster überstellt. Bis die Bundesbehörden entscheiden, wie das Asylverfahren weitergeht, bekommt er eine Duldung. Dennoch mobilisierte der Flüchtlingsrat Hamburg am Montagmorgen 100 Leute, um auf dem Hamburger Airport die Crew des Lot-Fluges notfalls dazu zu bewegen, die Abschiebung zu verhindern – was in Einzelfällen auch schon gelungen ist.
„Jetzt wird er zum ersten Mal gefragt, warum er aus dem Iran weg ist“, sagt Martin Link vom Flüchtlingsrat. Die Entscheidung des Bundesinnenministeriums wertet der Flüchtlingsrat als wichtigen Schritt – auch für zukünftige Fälle.
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