Abschiebestopp? Egal!: Abschiebung nach Griechenland
Das Bundesamt für Flüchtlinge will einen Syrer nach Griechenland schicken – dabei besteht ein Abschiebestopp dorthin, weil Refugees unmenschliche Behandlung droht
„Das ist ein verblüffender Fall“, sagt Kai Weber, Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrats. Denn Asylsuchende würden von Deutschland grundsätzlich nicht an Griechenland überstellt. „Bisher hieß es immer, in Griechenland gibt es keine menschenwürdigen Bedingungen für Flüchtlinge“, sagt er.
Daran haben auch Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Wochenende nichts geändert. Der CDU-Politiker hatte der Welt am Sonntag gesagt, es sei innerhalb der EU viel unternommen worden, um die Lage der Flüchtlinge in Griechenland zu verbessern. Dies müsse zur Folge haben, dass gemäß der Dublin-Verordnung auch wieder Flüchtlinge in das Land zurückgeschickt werden könnten. Voraussetzung sei eine gemeinsame europäische Haltung, sagte de Maizière: „Wenn wir alleine voranpreschen, besteht die Gefahr, dass Verwaltungsgerichte das Rückführen schon nach kürzester Zeit untersagen.“
Die sogenannten Dublin-Regeln sehen vor, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag grundsätzlich in dem Land stellen müssen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten. Wegen Mängeln im griechischen Asylsystem hatte Deutschland Abschiebungen nach Griechenland jedoch schon 2011 ausgesetzt. Grundlage dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine Abschiebung untersagte, für den Fall, „dass der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden“.
Letzteres droht zwar auch dem Syrer aus dem aktuellen Abschiebefall. Wobei für diesen jedoch nicht die Regeln des Dublin-Abkommens gelten, weil sein Asylverfahren ja bereits in Griechenland positiv beschieden wurde. Unter diesen Umständen greife europäisches Recht, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat: Eine Person mit befristetem Aufenthaltstitel genieße keine Freizügigkeit in der EU. Er habe jedoch noch nicht erlebt, dass ein anerkannter Asylbewerber nach Griechenland zurück geschickt werden sollte.
Ein neues Asylverfahren in Deutschland wäre unzulässig, argumentiert das Bamf, „weil dem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt worden ist“. Auch habe er keinen Anspruch, in Deutschland vor einer Abschiebung nach Syrien geschützt zu werden, denn dieser Schutz sei ihm ja schon von Griechenland gewährt worden.
„Die betrachten Griechenland als sicheren Drittstaat, ohne sich damit zu befassen, wie die Situation da ist“, kritisiert Sven Sommerfeldt, der Bremer Anwalt des Syrers. Im Bamf-Bescheid steht, sein Mandant habe geltend gemacht, „dass er die Lebensverhältnisse in Griechenland als zu schwierig empfände und sein Sohn dort eine schlechte Schulbildung erhielte“. Auch seien die Arbeitsmöglichkeiten schlecht. Sommerfeldt fügt hinzu, dass der 2008 geborene Sohn in medizinischer Behandlung sei.
Griechenland sei jetzt schon stark belastet durch die vielen Flüchtlinge, die meist in Camps hausten, gibt der Flüchtlingsrat zu bedenken. Dort gebe es keine soziale Versorgung und anders als den Einheimischen hätten Geflüchtete kein privates soziales Netz. „Wer keine Familie hat, ist aufgeschmissen“, sagt Weber.
De Maizières Vorhaben, Flüchtlinge wieder nach Griechenland zurückzuschicken, stieß vielfach auf Kritik. Schleswig-Holsteins Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt, der sich kürzlich auf der griechischen Insel Lesbos informiert hatte, lehnt es ab. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl nannte den Plan unverantwortlich.
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