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Abschaffung des EU-LieferkettengesetzesMerz droht in Brüssel mit der Kettensäge

Der neue Kanzler will das EU-Lieferkettengesetz abschaffen, dabei läuft die Gesetzgebung noch. Grüne sehen einen Affront gegen die EU-Kommission.

Friedrich Merz sorgt gleich bei seinem ersten Brüssel-Besuch für Ärger Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Brüssel taz | Es war sein erster Auftritt in der EU-Kommission in Brüssel, und gleich gab es Ärger: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will nach dem deutschen auch das europäische Lieferkettengesetz abschaffen. „Wir werden in Deutschland das nationale Gesetz aufheben, und ich erwarte auch von der EU, dass sie diesen Schritt nachvollzieht und diese Richtlinie aufhebt“, sagte Merz in der Brüsseler Behörde.

Nicht nur der Befehlston war ungewöhnlich. Es ist auch unüblich, dass sich ein Regierungschef in die laufende EU-Gesetzgebung einmischt.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) hat die europäische Lieferketten-Richtlinie (CSDDD) gerade erst gelockert und aufgeschoben. Sie soll nun erst ab 2028 gelten, die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird aufgeweicht.

Merz reicht dies nicht. Er will nicht nur die Sozial- und Umweltstandards kippen, die im CSDDD verankert sind, sondern gleich das ganze Gesetz. Und das sei erst der Anfang, so Merz: Die „viel zu groß gewordene europäische Regulierung“ müsse gekappt werden, sagte er in Brüssel.

Aus dem EU-Parlament kommt Kritik

Von der Leyen hörte sich Merz’ Forderungen an, ohne mit der Wimper zu zucken. Auf Druck der Christdemokraten im Europaparlament hat sie bereits so genannte Omnibus-Reformen zum Bürokratieabbau gestartet; die Entschlackung der Lieferketten-Richtlinie ist ein Teil davon.

Dazu sind auch bereits Beratungen im Europaparlament und im Rat angelaufen. Merz’ Vorstoß kommt deshalb zur Unzeit.

Entsprechend groß ist der Ärger im Parlament. Der Auftritt des Kanzlers in der EU-Kommission sei ein Affront gegen von der Leyen, sagte die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini, die das CSDDD mit ausgehandelt hat, der taz. „Merz ist wohl noch im Wahlkampfmodus, doch in der Praxis geht das nicht.“

Schon die laufende Reform geht Cavazzini zu weit. „Die zivilrechtliche Haftung ist raus. Sie ist nur noch eine Option, das führt zu einem Flickenteppich“, kritisiert die Chefin des Binnenmarktausschusses. „Außerdem hat die Kommission das abgeschwächte deutsche Modell übernommen – umso unverständlicher, dass Merz das Gesetz nun ganz kippen will!“

Auch SPD kritisiert Merz' Vorstoß

Widerspruch kommt auch von den Sozialdemokraten, die in Berlin mit in der Regierung sitzen. Merz’ Forderung stehe im Widerspruch zum Koalitionsvertrag, sagte der Chef der deutschen SPD-Gruppe im Europaparlament, René Repasi, der taz.

„Die Passage im Koalitionsvertrag ist eindeutig: Das deutsche Gesetz fällt weg und wird durch die europäische Regelung ersetzt.“ Dabei müsse es bleiben.

Ein Fall für den Koalitionsausschuss in Berlin sei der Streit zwar noch nicht, so Repasi. Dennoch klingen in Brüssel alle Alarmglocken. Denn die Konservativen im Europaparlament könnten versuchen, das Lieferkettengesetz gemeinsam mit Rechtspopulisten und Nationalisten zu kippen.

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2 Kommentare

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  • Da scheint sich unser Geradeerst-Kanzler F./(Donald?) Merz das "Original" aus den USA zum Vorbild genommen zu haben.



    A'la Adenauer (... was interessiert mich mein Geschwätz von gestern ...) handelt er nach dem Motto "Koalitionsvertrag ist eh nur Schall und Rauch", muß halt einfach mal "modifiziert/ abgeschafft" werden.



    Es läßt Schlimmes befürchten, wenn er weiter nach dem Linnemann-Motto "einfach machen" vorgeht und im nachhinein große Teile wieder zurücknehmen muß !



    Ich hoffe, daß die Leute, die nach Merz-Aussage "NICHT ALLE TASSEN IM SCHRANK HABEN, also die "linken und grünen Spinner", schneller als in Amerika diesen Kanzler auf den Boden der Tatsachen (und des Rechtes !) zurückholen (trotz aller gegenteiligen Lobbyeinflüsse !!)

  • Herr Merz scheint immer noch nicht verstanden zu haben, dass Regulierungen, die sehr hohe Standards setzen, viel besser als Zölle geeignet sind, sich internationale Konkurrenz vom Leib zu halten und gleichzeitig die Qualität eigener Produkte zu erhöhen. An den einbrechenden Verkaufszahlen bei Tesla sehen wir, dass ethische Qualität für das Käuferverhalten eine große Rolle spielt.



    Ich erinnere nur daran, welche Schwierigkeiten BMW und VW in den USA bekommen haben, als sie Teile verbauten, bei denen nicht klar war, ob sie in China mit Hilfe von Zwangsarbeit gefertigt wurden.