Absagen beim niedersächsischen Bildungsgipfel: Kein Kaffeeklatsch mit dem Minister
Opposition und die Lehrergewerkschaft GEW boykottieren den so genannten Bildungsgipfel von Niedersachsens Kultusminister Althusmann. Parlamentarischen Regeln seien dort unterlaufen worden, lautet die Kritik.
HANNOVER taz | Der Schulfrieden rückt, aufs Neue, in weite Ferne. Unter Protest haben die Oppositionsparteien und die Lehrergewerkschaft GEW in Niedersachsen ihre Teilnahme am Bildungsgipfel abgesagt, zu dem Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) für den morgigen Dienstag eingeladen hatte.
An einem Tisch versammeln wollte der Minister Schüler- und ElternvertreterInnen, die kommunalen Spitzenverbände, die Landtagsfraktionen, Kirchen- und WirtschaftsvertreterInnen sowie die LehrerInnenverbände. Der Bildungsgipfel soll erklärtermaßen ein Forum für alle an Bildung Beteiligten sein - auch jene, die nicht im Parlament sitzen. Am Dienstag soll es um den Übergang von der Schule zum Beruf sowie die Umsetzung des Bildungspaketes der Hartz-IV-Reform gehen.
Nicht mehr als eine "Alibiveranstaltung" seien des Ministers Bildungsgipfel, begründet die SPD ihre Absage. Für die GEW gibt es derzeit "keine Voraussetzungen für einen konstruktiven Dialog" mit dem Ministerium. Die Linksfraktion spricht von einem "tragikomischen Spiel des Ministers", während die Landtagsgrünen erklärten, sie seien nicht bereit, "die parlamentarische Kulisse für den Kaffeeklatsch zu spielen".
Mit den Stimmen der Regierungsmehrheit von CDU und FDP ist im März die Bündelung von Haupt- und Realschulen zu Oberschulen beschlossen worden.
Die Gründung von Gesamtschulen wird durch die Gesetzesnovelle nicht erleichtert: Gesamtschulen müssen mindestens fünfzügig sein, bei Oberschulgründungen hingegen reicht eine Klasse pro Jahrgang.
Wegen dieser Ungleichbehandlung der Schulformen lehnen die drei Oppositionsparteien im Landtag die Reform ab.
Das Abitur an der Oberschule machen zu können findet sich, anders als ursprünglich versprochen, ebenfalls nicht im neuen Gesetz: Die Einführung eines Gymnasialzweiges für Oberschulen strichen die schwarz-gelben Regierungsfraktionen kurzfristig aus dem Gesetz - auf Druck des Philologenverbandes.
Zwei solcher Gipfel hat Kultusminister Althusmann in den vergangenen Monaten bereits veranstaltet - Thema: Die Reform der niedersächsischen Schulstruktur. Die Chance auf einen Schulfrieden habe der Minister dabei vertan, sagt die schulpolitische Sprecherin der Grünen, Ina Korter. Lediglich "Verkündungstermine" seien die Treffen gewesen, sagt auch die SPD-Bildungspolitikerin Frauke Heiligenstadt. Wünsche oder Anregungen der Gipfel-TeilnehmerInnen seien in die Mitte März beschlossene Novelle des Schulgesetzes nicht eingeflossen (siehe Kasten).
Die Bildungsgipfel habe Althusmann genutzt, um die parlamentarischen Regeln und die Rechte der Opposition zu unterlaufen, kritisiert die Grünen-Politikerin Korter: Die "überhastete" Beratung des Gesetzes sei vom Ministerium damit begründet worden, "dass die Inhalte den Beteiligten ausreichend bei den so genannten Bildungsgipfeln vorgestellt worden seien".
Vorwürfe, die das Ministerium umgehend zurückweist: Alle parlamentarischen Verfahren seien "selbstverständlich unabhängig von zusätzlichen Gesprächen, die der Minister führt", sagt Althusmanns Sprecherin Corinna Fischer. Stattfinden werde der Bildungsgipfel nun auch ohne dass Opposition und Gewerkschaft teilnähmen, so Fischer. Es gebe genügend sonstige Anmeldungen.
Will das Ministerium die Bedeutung des Boykotts nicht kommentieren, tun die Regierungsfraktionen das umso lieber: "Verantwortungslos und ignorant" sei der "Ausstieg aus der bildungspolitischen Debatte", erklärt die CDU. "So macht man keine Politik zum Wohle der Kinder", befindet die FDP.
Was die Opposition nicht auf sich sitzen lassen will: Zum Dialog sei man auch weiterhin bereit, erklärt etwa die SPD. Künftig wolle man dafür aber vorgesehene Landtagsgremien wie den Kultusausschuss nutzen: Dort habe man im Gegensatz zum Bildungsgipfel Antrags-, Rede- und Fragerecht. Und die Landesregierung, sagt die Sozialdemokratin Heiligenstadt, sei "verpflichtet, uns Rede und Antwort zu stehen".
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