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Abrisspläne in EppendorfBezirk sagt: Schwamm drüber

Die Häuser an der Eppendorfer Landstraße seien nicht mehr zu retten, sie hätten Schwamm, behauptete Bezirksamtsleiter Harald Rösler. Nun rudert er zurück.

Todesurteil aus dem Bezirksamt: Häuser, die "Eppencity" weichen sollen. Bild: Hannes von der Fecht

Da hat sich Harald Rösler, der Bezirksamtsleiter des Bezirks Nord, wohl etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt. Um zu zementieren, dass die Häuser an der Eppendorfer Landstraße 97–109 dem Abriss geweiht sind, behauptete er, die Gebäude seien von Schwamm befallen. Die Bürgerinitiative „Wir sind Eppendorf“, der auch Mieter der betroffenen Häuser angehören, wies das als falsche Behauptung zurück. Nun rudert Rösler zurück und dementiert seine Aussage.

Rösler habe ausdrücklich von maroden Häusern gesprochen, lässt er seine Sekretärin Ulrike Holz erklären. Doch in einem _Kampf_um_historische_Haeuser-14055.html:Bericht im TV-Sender Hamburg 1 hatte er erst vergangene Woche gesagt, dass „die Häuser nicht mehr in Ordnung sind“ und „es Schwammbefall“ gäbe. Eine Diagnose, die einem Abrissurteil gleich kommt, weil der Pilz die Deckenbalken zerstört und eine Sanierung ins Geld geht. Doch statt zum Vorwurf der Falschaussage Stellung zu nehmen, lässt Rösler seine Sekretärin sagen: Die Initiative „müsste einmal erklären, wann und wo der Bezirksamtsleiter angeblich immer wieder von Schwammbefall gesprochen hatte“.

Die Initiative, die sich für den Erhalt der historischen Gebäude rund um das Alte Brauhaus am Eppendorfer Markt einsetzt, hält die angeblich marode Substanz und vor allem den Schwamm für ein „Totschlagargument“. „Der Bezirk kann unsere Kritik nicht so einfach abtun“, sagt Miriam Flüß von der Initiative. Da Schwamm meldepflichtig ist, müsste bekannt sein, wenn die Gebäude vom Pilz befallen wären. Offensichtlich liege dem Bezirksamt kein entsprechenden Akteneintrag vor. Immer wieder seien Gutachten zitiert worden, wonach die Häuser wegen ihrer Bausubstanz abrissreif seien. „Die Mängel sind den Mietern der betroffenen Häuser aber nicht bekannt“, erklärt die Initiative. Im Gegenteil: Die Häuser seien teilweise saniert worden.

Ein Investor hat andere Pläne für die Grundstücke. Der Neubaukomplex „Eppencity“ soll Platz für 35 Wohnungen und fünf Läden schaffen. Der Investor Florian Kämereit von der Hamburger Immobilien-Firma Alstertreu hatte gegenüber der taz betont, dass er das Projekt nur vorantreiben wolle, wenn die Verwaltung und die Bezirksfraktionen ihm den Rücken stärken. In der vergangenen Woche sollte es Gespräche geben.

Über den Ausgang wollte sich Kämereit bislang nicht äußern. Und es gibt noch einen Haken: Dem Investor gehören einige der beplanten Grundstücke noch nicht. Mit dem Eigentümer des Grundstücks mit der Hausnummer 99/101 ist Kämereit erst „in Verhandlungen“. Ein anderes Grundstück hat gerade der Wirt des italienischen Restaurants „Tre Castagne“ per Vorkaufsrecht erworben.

Die Gegner von „Eppencity“ hoffen, dass die anderen Eigentümer den Neubau verhindern. Denn auch in Eppendorf brauche es bezahlbare Mieten. „Das Neubauvorhaben hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt Flüß. Eppendorf, einst Künstler- und Studentenviertel, sei der traurige Vorreiter in Sachen Gentrifizierung. „Die ging in Eppendorf los, als das Wort noch niemand schreiben konnte“, sagt Flüß. Wenn auch spät, wie die Initiative einräumt, ist hier jetzt auch der Protest gegen die Gentrifizierung angekommen.

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7 Kommentare

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  • B
    Berti

    Rösler kann es nicht! Wie konnte man den überhaupt wählen? Den letzten vernünftige Bezirksamtsleiter in Nord gab es vor mehr als 4 Jahren.

  • K
    Katharina

    Die Wohnungsnot in Hamburg behebt man nicht, indem man 35 überteuerte Luxuswohnungen mitten auf eine belebte Kreuzung baut und dafür ein Stück Kultur opfert (denn Kultur ist es ja wohl, wenn da Häuser von 1881(!) stehen).

     

    Was soll denn dieser Logik nach als Nächstes unter die Abrissbirne? Das Hamburger Rathaus? Der Michel - oder gar die Elbphilharmonie? Das ist alles verschwendeter Wohnplatz, und auch noch so schöner ... also nur zu. Und nicht vergessen: Auch die Alster trocken legen bitte, da kann man dann auch hübsch zentrumsnah bauen! Vielleicht mit Blick auf den Michel? Ach nee ... is' ja nicht mehr, schade ...

  • G
    Gunnar

    Als um das Tre Castagne tut es mir nicht leid - das ist so schlimm verbaut, das man da nicht mal von dörflichem Charakter sprechen kann - jedes Dorf würde sich schämen. Und ob da nicht der Schimmel regiert? - jedenfalls ich gehe da nach einem Versuch/Besuch vor Jahren nicht mehr essen – es „riecht“.

     

    Wieviele Wohnunger verschwinden? Wenn es hoch kommt 8, 9, 10? Dafür 35 neue (und laut Investor 30% als Sozialer Wohnungsbau). Und diese neuen sicherlich sehr viel moderner als der jetzige Altbestand.

     

    Warum gibt es denn bei der Bebauung der Martinistraße keine Proteste? Wird der gleiche architektonische Einheitsbrei wie überall. Die alten Gebäude dort sind mittlerweile dem Erdboden gleich. Kein Aufschrei.

  • E
    Eppendorfer

    @Abrissbirne: meinst du mit "über dem Edeka", das alte Kaufhaus, das grad einem Verwandten von dir zum Opfer gefallen ist (http://www.bildarchiv-hamburg.de/hamburg/plaetze/eppendorfer/index.htm)?

     

    Dort werden vermutlich tatsächlich noch mehr schwer bezahlbare Wohnungen gebaut. Fragt sich, woher die Leute kommen sollen, die darin wohnen UND in den von überhöhten Ladenmieten geplagten Geschäften drumrum einkaufen können.

  • A
    Abrissbirne

    Lieber Gunnar,

    Wohnungsnot ja - aber auf diesem Filetstück in Eppendorf entstehen doch vermutlich keine bezahlbaren Wohnungen oder gar ein Studentenheim? So etwas würde aber vor allem gebraucht.

     

    Über Schönheit lässt sich wahrlich streiten. Eine "geschlossene Bebauung" gehört aus meiner Sicht nicht dazu. Der Eppendorfer Marktplatz weist insgesamt einen bunten Mix verschiedener Baustile auf. Ob man es mag oder nicht, hier kann man auch noch ein wenig die Historie des "Dorfs" spüren.

     

    Mit der Abrissbirne zu kommen ist einfallslos und verleiht immer mehr Ecken in Hamburg ein "Lego-Einheitsgesicht". Wo ist da die architektonische Vision?

    Warum nicht Altes mit Neuem verbinden, um Wohnraum zu schaffen? So gibt es ja vielleicht z.B. über dem Edeka Platz für eine Aufstockung des bestehenden Gebäudes. Alt und Neu kann auch spannend werden, wenn es nicht aus einem Einheitsbrei gegossen wird. Und Städteplanung nicht allein Investoreninteressen geschuldet ist. Ansonsten ist die nächste schwammige Ecke schon vorprogrammiert: das unsäglich niedrige Gebäude mit dem Shikara-Restaurant - kann auch weg...

  • M
    mimi-kri

    AHA:

    "Und es gibt noch einen Haken: Dem Investor gehören einige der beplanten Grundstücke noch nicht."

     

    Nachtigall ick hör dir trapsen - da hat sich wohl jemand eingesetzt, in der Hoffnung, dass aus dem Haken ein Goldstück wird!

     

    Ich denk mir nix Schlimmes dabei - NEEEIIIN!

  • G
    Gunnar

    Wieviele Wohnungen, die vom Abriss betroffen sind, stehen denn den 35 geplanten, neuen Wohnungen gegenüber? Ich denke, das werden viel weniger sein >> Stichwort: Wohnungsnot in HH.

     

    Ich befürworte eine Eckbebauung – der Platz würde an dieser Seite dann mal eine geschlossene Bebauung aufweisen. Schön kann man die zusammengestückelte jetzige Zeile nicht nennen.