Abriss der Köhlbrandbrücke in Hamburg: Miese Tricks für den Straßenverkehr
Der Hamburger Senat will mit einem Neubau den Straßenverkehr im Hafen verbessern. Angeblich sei eine Sanierung unmöglich, doch das ist wohl gelogen.
W enn ein städtisches Wahrzeichen verschwinden soll, sorgt das verständlicherweise für Weh- und Unmut. Der seit Jahren angekündigte Abriss der Hamburger Köhlbrandbrücke ist ein gutes Beispiel dafür. Weithin sichtbar ragen die beiden blauen Pylonen samt der geschwungenen Fahrbahn im Hafen in den Himmel.
Vom Altonaer Balkon aus etwa, einem Park hoch über der Elbe, lässt sich beim Feierabendbier die Brücke und das Hafenpanorama erblicken und denken: Schade, dass dieses Denkmal marode ist und bald abgerissen werden muss.
Dass diese Annahme wohl gar nicht stimmt und die entsprechende Information jahrelang vom Senat und der Hafenbehörde zurückgehalten wurde, wie Die Zeit vergangene Woche berichtete, macht wütend. Gar nicht so sehr, weil der Anblick der Brücke so schön ist oder weil der Denkmalschutz ein hohes Gut ist, sondern:
Es legt einmal mehr nahe, dass bei Infrastrukturprojekten, die die Verkehrs- und damit die Klimapolitik betreffen, die Vertrauenswürdigkeit politischer Entscheider:innen grundsätzlich anzuzweifeln ist. Es wurde schließlich wieder einmal mit Tricks und Lügen Politik gemacht.
Gutachten 15 Jahre lang verheimlicht
Denn schon seit 15 Jahren liegt ein Gutachten vor, das eine Sanierung der Brücke als Option aufzeigt – sie muss gar nicht abgerissen werden. Das Gutachten jedoch wurde bis jetzt nicht öffentlich gemacht, vielmehr haben die zuständigen Senator:innen mantraartig wiederholt, dass ein Abriss zwingend sei. Und schon bevor das Gutachten seinerzeit in Auftrag gegeben wurde, sprach der damalige Stadtentwicklungssenator Axel Gedaschko (CDU) davon, dass ein Abriss unumgänglich sei.
Nach Ansicht der Gutachter hingegen sei eine Sanierung grundsätzlich möglich und vergleichsweise günstig. Vor allem die Hafenwirtschaft und die Hafenbehörde wünschen sich aber inständig einen Tunnelneubau. Dass das der Öffentlichkeit ein Vielfaches kostet und obendrein eine katastrophale Klimabilanz hätte, interessiert sie offensichtlich nicht. Anscheinend geht es der Politik einzig darum, die Hafenwirtschaft glücklich zu machen. Wer in den zuständigen Behörden und den Senaten von der Studie wusste, ist noch unklar.
Die Masche hat in Hamburg schon fast eine Tradition: Auch bei der denkmalgeschützten Sternbrücke in Altona, deren Abriss ansteht, hat die Stadt kein Interesse an einer Sanierung und widersprach der Deutschen Bahn nicht, die einen Abriss als alternativlos darstellte. Dabei hatte die Stadt auch hier ein gegenteiliges Gutachten jahrelang vorenthalten.
Ein Neubau schließlich versetzt den darunter führenden Autoverkehr praktischerweise in einen besseren Zustand. Auch wenn Gegenteiliges behauptet wird, nämlich dass vor allem der Bus- und Radverkehr vom Neubau profitieren solle – man kann den Worten angesichts solcher Tricks nicht glauben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt