Abrechnung mit Irans-Opposition: Schauprozess beginnt
Hundert Reformern wird vorgeworfen, eine "sanfte Revolution" geplant zu haben.Und ein Kronzeuge will wissen, dass ausländische Institutionen den Widerstand planten.
Rund hundert Oppositionelle stehen seit Samstag in Teheran vor Gericht, darunter prominente Reformpolitiker. Sie werden beschuldigt, eine Verschwörung gegen die Islamische Republik angezettelt, Unruhen im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl vom 12. Juni geschürt und mit Hilfe westlicher Geheimdienste eine "sanfte Revolution" zum Sturz des islamischen Staates geplant zu haben.
Der Prozess findet praktisch hinter verschlossenen Türen statt. Außer zwei regimetreuen Agenturen und dem staatlichen Rundfunk und Fernsehen sind die Medien zu den Verhandlungen nicht zugelassen. Die Gefangenen wurden in Häftlingskleidung mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Unabhängige Beobachter waren nicht zugelassen, nicht einmal die Anwälte durften an dem Prozess teilnehmen. Saleh Nikbacht, der unter anderen den ehemaligen Vizepräsidenten Mohammad Ali Abtahi vertritt, sagte in einem Interview mit der BBC, ihm sei keinerlei Kontakt mit seinen Mandanten erlaubt worden. Die Anklageschrift sei ihm nicht bekannt und er habe den Gerichtstermin erst durch die Presse erfahren.
Wie die zugelassene Agentur Fars berichtete, beschuldigte der Staatsanwalt bei der Prozesseröffnung die Angeklagten, einen von ausländischen Geheimdiensten vorbereiteten Plan zur Durchführung einer "sanften Revolution" ausgeführt zu haben. Ein Kronzeuge, dessen Name nicht genannt wird, habe ausgepackt und der Staatsanwaltschaft genaue Informationen über einzelne Aktivitäten, die beteiligten ausländischen Institutionen und deren einheimische Agenten zur Verfügung gestellt.
Genannt werden amerikanische, britische, holländische und deutsche Institutionen, Rundfunk und Fernsehsender, die, koordiniert mit iranischen Politikern und Kulturschaffenden, schon vor Jahren mit der Vorbereitung begonnen haben sollen. Selbst der deutsche Philosoph Jürgen Habermas habe zu dem Plan seinen Beitrag geleistet. Durch die Unterstützung der Reformbewegung unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Chatami sollte nach Angaben des Staatsanwalts der islamische Staat "sanft" unterhöhlt und schließlich zum Sturz gebracht werden.
Die Frauenbewegung sei ebenso von außen gesteuert und finanziert worden wie der Versuch, Geistes- und Kulturschaffende für den Plan anzuwerben. Schon im Vorfeld der Präsidentenwahl sei die Stimmung für die Behauptung von einem Wahlbetrug erzeugt worden. Im Falle einer Niederlage der Reformkandidaten sollten die Wähler zu landesweiten Protesten mobilisiert, sollte Angst und Unsicherheit erzeugt und die Legitimität des Staates infrage gestellt werden. Wie der Staatsanwalt behauptete, lägen entsprechende Geständnisse einiger Inhaftierter vor.
Die Moscharekat-Partei, die größte Reformpartei, bezeichnete die Ausführungen des Staatsanwalts als "Hirngespinste", über die "selbst ein gekochtes Huhn lachen" würde. Der Prozess entlarve die "Absicht der Putschisten", Reformparteien und -gruppen sowie regierungsunabhängige Organisationen zu vernichten. Derartige Schauprozesse könnten niemals all die Verbrechen verdecken, die an den friedlichen Demonstranten begangen worden seien.
Der Prozess verstoße "gegen die Verfassung, geltende Gesetze und Bürgerrechte", sagte auch Chatami. Das Gericht stütze sich auf "Geständnisse, die unter gewissen Umständen erreicht wurden, die nicht gültig sind". "Diese Art von Inszenierung läuft vor allem den Interessen der Führung zuwider und beschädigt das Vertrauen der Öffentlichkeit", kritisierte der Expräsident.
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