Abo-Einbruch bei Zeitungsgruppe "WAZ": Einheitsbrei schmeckt Lesern nicht
Nach Einführung der "WAZ"-Zentralredaktion sind die Abozahlen der Zeitungsgruppe eingebrochen. Die Wut im Haus auf Chefredakteur Ulrich Reitz wächst.
Der redaktionelle Zentralismus der WAZ-Gruppe kommt bei den LeserInnen in NRW offenbar nicht gut an. Nach internen Zahlen, die der taz vorliegen, ist die Gesamtzahl der Abonnements aller vier WAZ-Titel an Rhein und Ruhr im Juli 2009 im Vergleich zum Vorjahr um rund 26.000 Exemplare eingebrochen.
Auch der Monatstrend Juni zu Juli 2009 liest sich dramatisch: Mitte Juni war das neue Zentralredaktionskonzept unter der Leitung von WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz gestartet. Danach erhalten die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) sowie die Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung (NRZ, beide Essen) und die Westfälische Rundschau (WR) aus Dortmund ihre überregionalen Seiten überwiegend vom Groß-Newsdesk in der Essener Konzernzentrale. Im Juli gab es dafür die Quittung: Die Zahl der Abos ging deutlich zurück, die WAZ verlor rund 8.500 AbonnentInnen, WR und NRZ jeweils über 4.000 (siehe Tabelle). Offiziell gibt die WAZ-Gruppe in der Auflagenstatistik nur ihre Gesamtauflage an, detaillierte Aufschlüsselungen nach Einzeltiteln sind ein - Vorsicht Wortwitz: Reitz-Thema - und werden nicht veröffentlicht.
Zu den Gesamtwerten der Gruppe kommt noch die Zahl der "Aussetzer", die wegen Urlaubs ihre Abolieferung unterbrechen. Sie erklärt aber keinesfalls das satte Minus. Denn die knapp 18.000 Exemplare in diesem Juli liegen noch deutlich niedriger als 2008, als über 26.000 Kunden ihr Abo vorübergehend ruhen ließen.
Doch selbst wer dem Zentralpool bislang entkommen ist, hat nichts zu lachen: Auch die Westfalenpost (WP) aus Hagen, die als einziges WAZ-Blatt in NRW nicht vom Essener Newsdesk versorgt wird, verlor dramatisch. Sie versteht sich zwar offensiv als "Heimatzeitung" im östlichen Westfalen und im Sauerland, musste aber als Preis für ihre Eigenständigkeit im Frühsommer mehrere Lokalredaktionen schließen - mit klaren Folgen: Die WP hat im Vergleich zum Juli 2008 fast 10 Prozent ihrer Abos verloren.
Die Stimmung in den Redaktionen der Gruppe sei "total im Arsch", sagen Insider - der Buhmann hat einen Namen: Ulrich Reitz. Ein anderer formuliert etwas höflicher: "Die Redaktion steht geschlossen neben Uli Reitz, nicht hinter ihm."
Dass ausgerechnet Reitz ehemaliges Blatt, der Focus, in einer NRW-Beilage über den neuen Einheitsbrei aus der WAZ-Zentrale herzog und daraufhin der Regierungssprecher der schwarz-gelben Düsseldorfer Landesregierung bei Focus-Chef Helmut Markwort intervenierte, sei allerdings keine Aktion von Reitz gewesen, heißt es in Essen. Dass der WAZ-Chefredakteur dagegen mit Macht die eigene Person ins Rampenlicht setzt und auch ins Fernsehen drängt, geht manchen in Redaktion wie Verlag zu weit: Einmal im Monat lädt Uli Reitz zum "Reitz-Thema" ein, dass auch im Regionalkanal NRW.TV läuft - an dem die WAZ praktischerweise beteiligt ist. Dass auf den Plakaten und Ankündigern Reitz Name aber deutlich größer als das WAZ-Logo ausfällt, schmeckt auch nicht allen. Und so spekuliert man in Essen derzeit munter, ob der plötzliche Abgang von NRW-Verlagsgeschäftsführer Harald Wahls vielleicht auch mit solchen Nickeligkeiten zu tun hatte.
Das "Reitz-Thema" für August heißt übrigens "Die große Pleite: Sind unsere Städte noch zu retten?". Spötter lästern, bald könne die WAZ hier für "Städte" auch "Zeitungen" einsetzen.
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