Ablehnung von Hamas und Israel: UN-Resolution ohne Wirkung
Israels Premierminister Olmert kündigt die Fortsetzung des Militäreinsatzes im Gazastreifen an - und erntet dafür breite Zustimmung in Israel.
JERUSALEM taz Der Krieg im Nahen Osten geht trotz der internationalen diplomatischen Bemühungen weiter. Beide Konfliktparteien lehnen den vom UN-Sicherheitsrat entworfenen Vorschlag für einen sofortigen Waffenstillstand ab. "Der Staat Israel hat noch nie zugelassen, dass ein ausländisches Institut über das Selbstverteidigungsrecht der Sicherheit seiner Bürger entscheidet", erklärte Premierminister Ehud Olmert und kündigte eine Fortsetzung der Militäroperationen im Gazastreifen an.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist am Freitag Richtung Nahost gereist, um sich zu bemühen, dass "aus dem Aufruf zum Waffenstillstand ein Waffenstillstand wird", wie er sagte. Am heutigen Samstag wird er Ägyptens Präsident Husni Mubarak, den ägyptischen Außenminister Aboul Gheit sowie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen, am Sonntag die israelische Außenministerin Zipi Livni. Zwei Tage zuvor hatte das Auswärtige Amt erklärt, Steinmeier werde erst reisen, wenn sich daraus ein "konkreter Mehrwert" ergebe. Am Freitag hieß es, dieser Zeitpunkt sei nun - nach der UN-Resolution für einen Waffenstillstand und der Rückkehr von Steinmeiers Nahostbeauftragtem Andreas Michaelis von einer mehrtägigen Sondierungsmission - gekommen. Regierungssprecher Thomas Steg erklärte, im Zentrum der deutschen Initiative werde zunächst das Ziel stehen, dass der Waffenschmuggel an der Grenze zwischen Gaza und Ägypten aufhöre. Neben Steinmeier bietet auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy sowohl Israel als auch Ägypten an, entsprechende Gespräche zu unterstützen und zu begleiten. "Wenn es nicht gelingt, den Waffenschmuggel zu unterbinden, trübt sich die Perspektive ein, zu einer Waffenruhe und zu einem Waffenstillstand zu kommen", sagte Steg. Die Frage, ob Bundeswehrsoldaten in oder um Gaza zum Einsatz kommen könnten, stellt sich laut Steg weiterhin nicht. Zwar gebe es Überlegungen, ob die Staatengemeinschaft vor Ort hilfreich sein könne. Noch sei es aber nicht so weit. Im Übrigen sei es "unangemessen und unangebracht, da zunächst an Bundeswehrsoldaten zu denken", sagte Steg. UWI
Sami Abu Suhri, ein Sprecher der Hamas im Gazastreifen, kritisierte, dass die UNO die Interessen der Palästinenser vernachlässigt habe. "Diese Resolution bedeutet nicht, dass der Krieg vorbei ist", sagte er gegenüber dem Sender al-Dschasira. "Wir rufen die palästinensischen Kämpfer auf, sich für die Offensive bereitzuhalten, und die arabischen Massen, ihren wütenden Protest fortzusetzen." Palästinenserpräsident Machmud Abbas begrüßte dagegen die Resolution als "wichtigen Schritt".
Die Zahl der aus dem Gazastreifen abgeschossenen Raketen bleibt weiter nahezu konstant bei um die 30 Geschosse täglich. Ein Teil der Raketen schlug in Israel während der dreistündigen Feuerpause ein, die die Armee jeweils um die Mittagszeit einhält, damit die Bevölkerung Wasser und Nahrungsmittel kaufen kann. Die Zahl der getöteten Palästinenser stieg auf über 770, darunter mindestens 200 Kinder.
Allein in der Nacht zum Freitag griff die Armee über 50 verschiedene Ziele an. Bei den meisten geht es um vermutete Raketenproduktions- und -abschussstätten. Mindestens 20 Palästinenser kamen ums Leben. Die UN-Hilfsgruppe Ocha (Office for Coordination of Huminatarien Affairs) warf der Armee gestern vor, über einhundert Palästinenser in ein Haus getrieben zu haben, um es 24 Stunden später zu bombardieren. Die Armee stritt die Vorwürfe ab.
Die diplomatischen Anstrengungen zu einer Beendigung der Kämpfe verlaufen derzeit auf zwei Gleisen. Bei der UN-Resolution handelt es sich prinzipiell nur um eine Erklärung. Die beiden Konfliktparteien werden nicht gefragt. Anders ist das bei der von Frankreich und Ägypten vorangetriebenen Initiative. Die Beratungen unter der Leitung des ägyptischen Geheimdienstchefs Omar Suleiman finden zumeist in Kairo statt, wo die Delegierten des israelischen Verteidigungsbüros und Vertreter der Hamas im Wechsel auftreten, ohne sich je direkt zu begegnen. Israel fordert ein Ende des Raketenbeschusses und des Waffenschmuggels. Die Hamas wiederum will einer Feuerpause nur zustimmen, wenn die Grenzen zum Gazastreifen geöffnet werden.
Israel verhängte eine Ausreisesperre über das Westjordanland, wo am Freitag mehrere Solidaritätsdemonstrationen stattfanden.
In der israelischen Bevölkerung herrscht breite Zustimmung vor allem für das Militär. Einer am Freitag von der Zeitung Yediot Achronot veröffentlichten Umfrage zufolge unterstützen rund 90 Prozent der Befragten eine Fortsetzung der Operation. Nach Staatspräsident Schimon Peres genießt Verteidigungsminister Ehud Barak das größte Vertrauen in der Bevölkerung. Zu einer ersten Demonstration seit Kriegsbeginn rief die Friedensbewegung Peace Now für den heutigen Samstagabend auf.
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