Abkommen zwischen USA und Ukraine: Plötzlich wieder Freunde
Der Rohstoffdeal soll den Wiederaufbau der Ukraine regeln und den USA Vorrechte auf seltene Erden sichern. Ein Zeichen der Annäherung zwischen beiden Ländern?

Am Vortag hatten Bessent und seine ukrainische Amtskollegin Julija Swyrydenko in Washington ein Abkommen über seltene Erden unterzeichnet. Eigentlich hätte dies bereits im vergangenen Februar passieren sollen. Dazu war es aber nicht mehr gekommen, nachdem ein Gespräch zwischen den Präsidenten Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus aus dem Ruder gelaufen war. Am Rande der Beerdigung Papst Franziskus’ am 26. April in Rom trafen sich die beiden Präsidenten erstmals wieder seit dem Eklat. In einer 15-minütigen Unterredung soll Selenskyj Trump aufgefordert haben, mehr Druck auf Putin auszuüben.
Das neue Abkommen sieht die Schaffung eines gemeinsamen Investitionsfonds vor. Dieser soll Einnahmen aus der Nutzung natürlicher Ressourcen, Infrastruktur und anderen Vermögenswerten in der Ukraine verwalten und für den Wiederaufbau einsetzen. Militärhilfen, die die USA der Ukraine vor dem Abschluss des Abkommens gewährt haben, zählen nicht als Beitrag Washingtons. Künftige Einlagen der USA hingegen gelten als Investitionen.
Die frühere Forderung, Kyjiw müsse alle bisherigen Waffenlieferungen und Finanzhilfen seit Beginn des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 als Schulden zurückzahlen, findet sich nicht mehr in dem Dokument. Trump hatte mehrfach betont, Washington wolle für die Waffenlieferungen an die Ukraine „Geld zurückbekommen“, und zwar in Form künftiger Einnahmen aus dem Mineralienabbau. Am Donnerstag erklärte er nun, die USA würden durch das Abkommen mehr als die angeblich ausgegebenen 350 Milliarden Dollar zurückbekommen, die für die Ukraine ausgegeben worden sein. Wie er auf diese Summe kommt, bleibt unklar.
Ukraine hofft auf Fortsetzung der Militärhilfen
Das Abkommen räumt den USA Vorrechte bei künftigen Verträgen zur Erschließung ukrainischer Ressourcen ein. Allerdings berechtigt das Abkommen Washington nicht automatisch zu einem Anteil an den Erlösen aus dem Abbau ukrainischer Mineralien oder der Infrastruktur. Die Ukraine wird ihren Beitrag zum Fonds leisten, indem sie 50 Prozent der Einnahmen aus Förderlizenzen oder Rohstoffverkäufen einbringt.
Ministerpräsident Denis Schmyhal nannte den „Deal“, den das ukrainische Parlament noch ratifizieren muss, am Mittwoch im ukrainischen Fernsehen eine „gute, gleichberechtigte und vorteilhafte internationale Vereinbarung über gemeinsame Investitionen in die Entwicklung und den Wiederaufbau“ seines Landes. Die Ukraine behalte die Kontrolle über ihren Boden, ihre Infrastruktur und alle Ressourcen. Auf Telegram betonte er, beide Seiten hätten je 50 Prozent der Stimmrechte im Fonds, dessen Gewinne ausschließlich in der Ukraine reinvestiert würden. Die Investitionen seien auf zehn Jahre angelegt. Ein EU-Beitritt der Ukraine werde dadurch nicht behindert.
Mit dem Abschluss des Abkommens sind auf ukrainischer Seite auch Hoffnungen verbunden, dass die USA ihre Militärhilfen fortsetzen. Dabei gehe es vor allem um Luftabwehrsysteme, schrieb Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko auf X. Zu diesem Aspekt ist in dem Abkommen jedoch nichts zu finden.
Informationen der Kyiv Post zufolge soll Trump auf der Grundlage des Waffenexportkontrollgesetzes am Mittwoch erstmals seit seinem erneuten Amtsantritt grünes Licht für Waffenverkäufe an die Ukraine in Höhe von 50 Millionen Dollar gegeben haben. Ebenfalls am Mittwoch meldete sich der republikanische Senator Lindsey Graham zu Wort. Bereits 72 US-Senatoren würden einen Gesetzentwurf unterstützen, der „knochenbrechende“ Sanktionen gegen Russland sowie hohe Zölle für Länder vorsehe, die Russlands Öl und Gas kauften, falls Putin keine ernsthaften Friedensverhandlungen aufnimmt. „Das Ziel ist, dem Präsidenten zu helfen“, sagte Graham, der als enger Verbündeter von Trump gilt. Laut Bloomberg News sieht der Gesetzesentwurf einen 500-prozentigen Zoll auf Importe aus Ländern vor, die russisches Öl, Erdgas, Erdölprodukte oder Uran kaufen. Er würde US-Bürgern zudem den Kauf russischer Staatsanleihen verbieten.
Auf dem ukrainischen Webportal focus.ua nutzt der Aktivist Denis Jaroslawskyj die jüngste Vereinbarung zu einem flammenden Appell an die Abgeordneten des Parlaments. „Heute haben Sie die Chance, den Lauf der Geschichte zu ändern. Diese Chance kommt vielleicht nicht noch einmal. Sie sind verpflichtet, sich – unabhängig von Parteizugehörigkeit und politischen Ansichten – für eine Idee zu vereinen: die Vereinigung der Ukraine und der Vereinigten Staaten im Rahmen einer Allianz“, schreibt er. „Wenn Sie diesen Moment verpassen, werden Sie für immer als das hilfloseste und unbedeutendste Parlament in der gesamten Geschichte der ukrainischen Staatlichkeit in die Geschichte eingehen.“
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