Abhörskandal bei der Thüringer Polizei: Zehntausende Male mitgeschnitten
Die Polizei soll jahrelang ohne Einverständnis Telefonate mit Anwälten und Journalisten aufgezeichnet haben. Zu den Gesprächen wurden offenbar Vermerke erstellt.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Innenministeriums. Der Vorwurf laute auf Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, sagte Staatsanwältin Anette Schmitt-ter Hell am Mittwoch. Nach bisherigen Erkenntnissen sei aber nicht jedes Polizei-Telefonat mitgeschnitten worden, betroffen seien nur bestimmte Apparate. Hintergrund ist eine Dienstansweisung aus dem Jahr 1999, die nun ebenfalls Gegenstand von Ermittlungen ist.
Oliver Löhr, Sprecher des Innenministeriums, erläuterte, nach bisherigen Erkenntnissen seien Gespräche auf Telefonen von Dienstgruppenleitern mitgeschnitten worden, die rund um die Uhr besetzt seien. Dort wurden auch Notrufe entgegengenommen. Allerdings habe die Anlage nicht unterschieden, wenn von diesen Telefonen auch andere Gespräche geführt wurden und diese ebenfalls aufgezeichnet.
Auch nach der Umstrukturierung der Polizei samt Schaffung der Landeseinsatzzentrale in Erfurt wurden zudem Notrufe in die einzelnen Inspektionen weitergegeben, so dass sie weiterhin von der Speicherung von Telefonaten betroffen waren. Inzwischen sei das Mitschneiden gestoppt worden. Zugriff auf die aufgezeichneten Gespräche hätten nur Administratoren gehabt, erklärte Löhr.
Landesdatenschützer ist aktiviert
Die Mitschnitte sollen routinemäßig nach 180 Tagen gelöscht worden sein. Nach Recherchen des MDR wurden allerdings auch Vermerke zu Telefonaten angefertigt und bestimmten Verfahren zugeordnet.
Aufgeflogen ist das Ganze den Angaben nach durch einen Staatsanwalt. Dieser war bei Nachforschungen darauf gestoßen, dass Telefonate von ihm mit einer Polizeidienststelle ohne sein Wissen oder seine Zustimmung gespeichert wurden.
Für Landesdatenschützer Lutz Hasse ist noch unklar, ob es sich um ein punktuelles oder ein flächendeckendes Problem handelt. Sollten sich die Hinweise bestätigen, so werde er dies beanstanden und darauf dringen, dass unrechtmäßig mitgeschnittene Gespräche gelöscht werden – ebenso wie die in Rede stehenden Vermerke dazu. Nach bisherigem Stand vermute er „keine böse Absicht“ hinter den Aufzeichnungen, sagte Hasse.
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