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Abhörskandal bei der Thüringer PolizeiZehntausende Male mitgeschnitten

Die Polizei soll jahrelang ohne Einverständnis Telefonate mit Anwälten und Journalisten aufgezeichnet haben. Zu den Gesprächen wurden offenbar Vermerke erstellt.

Hintergrund der Überwachung soll ein Erlass des Thüringer Innenministeriums von 1999 sein Foto: enc1987

Erfurt dpa | Die Thüringer Polizei hat viele Jahre lang wohl Zehntausende Diensttelefonate heimlich aufgezeichnet. Einem Bericht des MDR zufolge fielen darunter auch Anrufe von Staatsanwälten. Zudem bestehe der Verdacht, dass Gespräche unter anderem mit Rechtsanwälten, Justizbeamten, Sozialarbeitern und Journalisten mitgeschnitten wurden, die dienstlich interne Polizeinummern angerufen hatten. Laut Staatsanwaltschaft Erfurt liegen zwei Strafanzeigen vor. Auch der Landesdatenschutzbeauftragte prüft die Vorwürfe. Nach Angaben des Innenministeriums dürfen eigentlich nur Notrufe automatisiert aufgezeichnet werden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Innenministeriums. Der Vorwurf laute auf Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, sagte Staatsanwältin Anette Schmitt-ter Hell am Mittwoch. Nach bisherigen Erkenntnissen sei aber nicht jedes Polizei-Telefonat mitgeschnitten worden, betroffen seien nur bestimmte Apparate. Hintergrund ist eine Dienstansweisung aus dem Jahr 1999, die nun ebenfalls Gegenstand von Ermittlungen ist.

Oliver Löhr, Sprecher des Innenministeriums, erläuterte, nach bisherigen Erkenntnissen seien Gespräche auf Telefonen von Dienstgruppenleitern mitgeschnitten worden, die rund um die Uhr besetzt seien. Dort wurden auch Notrufe entgegengenommen. Allerdings habe die Anlage nicht unterschieden, wenn von diesen Telefonen auch andere Gespräche geführt wurden und diese ebenfalls aufgezeichnet.

Auch nach der Umstrukturierung der Polizei samt Schaffung der Landeseinsatzzentrale in Erfurt wurden zudem Notrufe in die einzelnen Inspektionen weitergegeben, so dass sie weiterhin von der Speicherung von Telefonaten betroffen waren. Inzwischen sei das Mitschneiden gestoppt worden. Zugriff auf die aufgezeichneten Gespräche hätten nur Administratoren gehabt, erklärte Löhr.

Landesdatenschützer ist aktiviert

Die Mitschnitte sollen routinemäßig nach 180 Tagen gelöscht worden sein. Nach Recherchen des MDR wurden allerdings auch Vermerke zu Telefonaten angefertigt und bestimmten Verfahren zugeordnet.

Aufgeflogen ist das Ganze den Angaben nach durch einen Staatsanwalt. Dieser war bei Nachforschungen darauf gestoßen, dass Telefonate von ihm mit einer Polizeidienststelle ohne sein Wissen oder seine Zustimmung gespeichert wurden.

Für Landesdatenschützer Lutz Hasse ist noch unklar, ob es sich um ein punktuelles oder ein flächendeckendes Problem handelt. Sollten sich die Hinweise bestätigen, so werde er dies beanstanden und darauf dringen, dass unrechtmäßig mitgeschnittene Gespräche gelöscht werden – ebenso wie die in Rede stehenden Vermerke dazu. Nach bisherigem Stand vermute er „keine böse Absicht“ hinter den Aufzeichnungen, sagte Hasse.

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8 Kommentare

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  • Ich sitze hier mit offenem Mund - ob der Haltung des Datenschutzbeauftragten.

    Das läuft seit Jahren, es wurden auch Notizen gemacht, aber wohl alles "ohne böse Absicht".

    Es geht um eines unserer Grundrechte , und er will "darauf dringen", dass das alles gestoppt wird.

    Einer von uns beiden hat da was mit der Bedeutung des GG missverstanden.

  • Da hat man in Thüringen wohl nicht aufgepaßt. Andere lassen sich mehr einfallen, um nicht erwischt zu werden. Aber was soll's? An Ende steht fast immer der komplette Erinnerungsverlust der Verantwortlichen.

  • "Nach bisherigem Stand vermute er „keine böse Absicht“ hinter den Aufzeichnungen, sagte Hasse." Natürlich nicht. Auf so einen Gedanken käme kein Mensch. Also kann es sich doch nur um absolute Unfähigkeit handeln. Was ist jetzt schlimmer?

  • Ob die Staatsanwaltschaft auch aktiv geworden wäre wenn "nur" Linke abgehört worden wären - kein Staatsanwalt betroffen gewesen wäre?

     

    Ohne tatsächlich unabhängige Staatsanwaltschaften / Gerichte (die nicht weisungsgebunden sind) bleibt der Rechtsstaat nur ein Traum.

  • Sieben Jahre – eine lange Zeit. Ob wirklich nur die Telefonate „von bestimmten internen Nummern“ mitgeschnitten und wo die gewonnenen Daten gespeichert wurden, ob tatsächlich alle Aufzeichnungen mittlerweile wieder gelöscht sind und was mit den gesammelten Informationen passiert ist, wird sich, wie ich das Thüringer Innenministerium kenne, nie mehr verlässlich klären lassen. Und wäre nicht zu guter Letzt ein Staatsanwalt ins (Telefon-)Netz gegangen, würde vermutlich heute noch gelauscht – Legalität hin oder her. Frau X. oder Herr Y., nämlich, wären gar nicht in der Lage gewesen, „Nachforschungen“ anzustellen bei der Polizei. Eine entsprechende Beschwerde wäre, hätte es sie denn gegeben, als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden. Frau X. oder Herr Y. hätten froh sein müssen, wenn sie nur ausgelacht und beschimpft worden wären, nicht verklagt oder gar in die Psychiatrie gesteckt.

     

    Jaja, der Staat ist wirklich weit, auch hierzulande. Um nicht zu sagen: Er ist tief. Tief wie ein stilles Wasser.

  • Das ist kein Skandal, sondern gehört zur gewachsenen Struktur des Landes Thüringen und das Verhalten der Bullen in Sachsen ist weit entfernt von einem bürgerschaftlichen Staats- und Gesellschaftsverständnis.

    Diese beiden Regime müssen deshalb beseitigt werden.

    Dann lässt sich auch

    niemand

    suchte

    uns

    besser verhindern.

  • Och joh! Wer macht denn sowas?

    Bin mal gespannt wann heraus kommt,wie oft die richterliche Anordnung für das Abhören erst hinterher eingeholt wird.

  • Stasi - quasi!;)

     

    Alte Übung - jung getan!

    Wer soll was dagegen han?!