Abhören von Internettelefonaten: Behörden spähen Privatcomputer aus
Zoll und bayerisches LKA sollen sich längst in PCs eingeschlichen haben, um Internettelefonate zu überwachen. Und das, obwohl Schäuble Onlinedurchsuchungen im April gestoppt hatte.
Der Zollfahndungsdienst setzt bereits heute Spionagesoftware ein, um Internettelefonate abzuhören. Dies erklärte jetzt die Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Gisela Piltz. Im Bereich der Zollfahndung, zu der unter anderem das Zollkriminalamt in Köln gehört, "laufen derzeit erstmalig zwei Maßnahmen einer sogenannten Quellen-TKÜ", vom Richter genehmigt, so die Regierungsauskunft.
Unter Quellen-TKÜ wird die Überwachung von Telekommunikation, also Telefongesprächen und E-Mail-Verkehr, direkt auf einem der beteiligten Computer verstanden. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält die Quellen-TKÜ für notwendig, weil Internettelefonate, zum Beispiel via Skype, verschlüsselt erfolgen und nach Regierungsansicht nicht auf normalem Weg abgehört werden können. Die Quellen-TKÜ setzt an, bevor die Daten verschlüsselt werden, zum Beispiel am Mikrofon des Computers oder bei der Tasteneingabe.
Brisant ist die Quellen-TKÜ, weil genau die gleiche Technik wie bei der heimlichen Onlinedurchsuchung von Computer-Festplatten angewandt wird. Dies räumt auch die Bundesregierung ein: "Die Maßnahmen zur Aufklärung des Zielsystems, zur Aufbringung und Löschung des Programms, zur Verschlüsselung und zur Ausleitung der Daten erfolgen bei der Online-Durchsuchung und bei der Quellen-TRKÜ nach den gleichen technischen Prinzipien", heißt es in dem der taz vorliegenden Regierungsschreiben.
Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom vergangenen Februar ist klar, dass die Polizei derzeit keine Rechtsgrundlage für die Onlinedurchsuchungen hat. Anders sei es, so Schäuble, bei der Quellen-TKÜ. Hier gelte die ganz normale Befugnis zur Telefon- und E-Mail-Überwachung. Justizministerin Zypries (SPD) prüft seit Monaten, ob sie das auch so sieht.
Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, protestierte gestern gegen die Praxis der Zollfahndung. "Aus meiner Sicht braucht man dafür eine eigene Rechtsgrundlage." Auch Petra Pau (Die Linke) sieht den Zoll auf "rechtlich nicht gedecktem Terrain". Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP, wundert sich, warum gerade die Zollfahndung die Quellen-TKÜ braucht: "Dort geht es um Schmuggel, Schwarzarbeit und Steuerdelikte, nicht aber um Terrorismus."
Nach Angaben der Bundesregierung haben das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei bisher noch keine Quellen-TKÜ durchgeführt.
Ob Geheimdienste wie der Verfassungsschutz oder der Bundesnachrichtendienst bereits Internettelefonate mit Quellen-TKÜ abhören, ließ die Bundesregierung offen. Darüber werde nur in den geheimen Kontrollgremien des Bundestags berichtet. Keine Auskünfte machte die Bundesregierung auch zu Quellen-TKÜ-Maßnahmen im Bereich der Länder.
Wie der Spiegel meldete, soll auch das bayerische Landeskriminalamt bereits in mehreren Fällen auf den Computern von Verdächtigen Hacker-Software installiert haben, um Internetgespräche abzufangen. Der LKA-Sprecher Ludwig Waldinger hat diese Meldung gegenüber tagesschau.de inzwischen teilweise dementiert. Zwar habe das Landeskriminalamt in weniger als 10 "Fällen von schwersten Straftaten und mit richterlicher Genehmigung" über das Internet geführte Gespräche von Verdächtigen abgehört. Dabei sei aber keine Abhör-Software auf den Computern der Verdächtigen installiert worden, es läge damit gar keine Quellen-TKÜ vor.
Für die Notwendigkeit einer eigenen Quellen-TKÜ-Rechtsgrundlage spricht zweierlei. Zum einen muss dabei der Computer via Internet oder auf anderem Wege heimlich manipuliert werden. Das ist ein stärkerer Eingriff, als den Datenfluss bei der Vermittlung der Telekom abzugreifen.
Außerdem lässt sich bei der Quellen-TKÜ der Zugriff nicht exakt auf Telekommunikation begrenzen. Auch wenn nur "Voice-, Video- und Textmeldungen", so die Bundesregierung, protokolliert werden, so wird das Mikrofon des Computers eben nicht nur für Telefonate benutzt, sondern zum Beispiel auch zum Aufsprechen eigener Memos. Und die Tastatur dient nicht nur zum Tippen von E-Mails, sondern auch von Texten, die lediglich auf dem eigenen Computer gespeichert werden sollen.
CDU/CSU verhandeln schon seit Monaten, wie eine gesetzliche Regelung der Onlinedurchsuchung aussehen könnte, Teile der SPD wollen ganz auf diese Maßnahme verzichten. Wenn auch für die Quellen-TKÜ eine gesetzliche Ermächtigung nötig ist, verbessert dies die Verhandlungsposition der SPD.
Am kommenden Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht über das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz verhandeln, das bisher einzige Gesetz in Deutschland, das Onlinedurchsuchungen ausdrücklich zulässt.
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