piwik no script img

„Abhängige nicht entmündigen“

■ Sozialsenatorin Roth eröffnet neuen Fixerraum in Ottensen

Bunte Figuren auf den Keramikfliesen nehmen dem Druckraum ein wenig die Nüchternheit. An zwei Metalltischen finden jeweils drei Junkies Platz, um sich ihren Schuß unter medizinischer Aufsicht zu setzen. „Es sollte ein angenehmer Raum, aber kein gemütliches Wohnzimmer werden“, erklärte Kai Wiese von dem Drogenhilfeträger jugend hilft jugend gestern bei der Einweihung eines neuen Druckraums im Ottensener Kodrobs. Denn der Träger vertritt grundsätzlich einen ausstiegsorientierten Ansatz. Drogensucht sei „kein Lebensstil, sondern ein ziemliches Elend“, so Wiese.

Dennoch sei es kein Widerspruch, Wege aus der Abhängigkeit anzubieten und einen Konsumraum bereitzustellen. Mit dieser Einsicht ist jugend hilft jugend einen großen Schritt weitergekommen. Oft wurde dem ausstiegsorientierten Träger vorgeworfen, nicht akzeptierend und niedrigschwellig genug zu arbeiten.

„Die süchtigen Menschen, die hier im Stadtteil leben, sollen nicht woandershin fahren müssen“, begründete Sozialsenatorin Karin Roth (SPD) das Dezentralisierungskonzept des Senats. Noch in diesem Herbst sollen auch in Hoheluft und auf St. Pauli Fixerstuben eröffnet werden. Danach müsse man sehen, „ob das Konzept Entlastung in Stadtteilen wie St. Georg bringt“, so Roth weiter. In jedem Fall dürfe die Drogenhilfe den Süchtigen nicht zuviel abnehmen. „Sozialarbeit ist nicht dazu da, Abhängige zu entmündigen.“

Der Druckraum, der pro Jahr 200.000 Mark kostet, steht Süchtigen 42,5 Stunden pro Woche mit sechs Plätzen zur Verfügung. Zum Vergleich: Der Fixstern in der Schanze öffnet mit fünf Plätzen 40 Stunden. Das Drob Inn am Hauptbahnhof mit fünf Druck- und drei Rauchplätzen 39 Stunden pro Woche. Im Kodrobs werden „Benutzerausweise“ ausgestellt. Damit soll sichergestellt werden, daß alle die Regeln kennen und beraten wurden. Als zu hohe Hürde sieht Wiese die Ausweise nicht an. „Man sollte ruhig Forderungen an Süchtige stellen“, und viele „sind sogar stolz auf diesen Ausweis“.

Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen