: Abgesang auf falsches Sparen
Hitzige Anhörung im Schulausschuss wegen der geplanten Kürzungen bei freien Schulen. „Sie sind verfassungswidrig“, sagt Schulrechtsexperte. Betroffene lehnen „Sonderopfer“ rigoros ab. Opposition fordert Verzicht auf die Streichungspläne
von SABINE AM ORDE
Ein furioser Beginn: Erst Sturm auf die Karten wie bei einem Popkonzert, dann Demonstration, schließlich die musikalische Einlage. Der Chor der katholischen Schule St. Marien brachte den Abgeordneten ein Ständchen – zwar mit schlichtem Text, musikalisch aber anspruchsvoll. „Lasst die Schulen frei, kürzt uns nicht das Geld, denn freie Schulen sind ein Gewinn für diese Welt“, trällerten die SchülerInnen. Doch schon nach wenigen Minuten war es im Schulausschuss, der sich gestern eine Anhörung zu den geplanten Kürzungen bei den Schulen in freier Trägerschaft auf die Tagesordung gesetzt hatte, mit der leichten Muse vorbei. Zahlen, Paragrafen und schwere Vorwürfe flogen durch den Raum.
Den schwersten von allen brachte der Hamburger Verfassungsrechtler Rüdiger Jach vor. Der Plan der Koalition, die Personalkostenzuschüsse für die Schulen in freier Trägerschaft von 97 auf 90 Prozent zu kürzen, sei nicht verfassungskonform. Denn mit dieser Kürzung gehe eine Erhöhung des Schulgelds einher. Weil das Land aber eine gesetzlich festgeschriebene Schutz- und Förderpflicht für die freien Schulen habe, sind der Höhe des Schulgeldes verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Und die lägen, wenn man ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus den 90ern auf heute übertrage, bei etwa 100 Euro monatlich. „Diese Grenze wird überschritten“, prophezeite Jach.
Auch die anderen geladenen Experten, die meisten allerdings Vertreter in eigener Sache, holten aus. Der Senat riskiere womöglich aus ideologischen Gründen die Existenz der Schulen, hieß der gemeinsame Vorwurf. Pater Klaus Mertes, Leiter des katholischen Canisius-Kollegs, beschwerte sich im Tonfall einer leidenschaftlichen Predigt über „das Sonderopfer, das uns auferlegt wird“. Die freien Schulen seien ohnehin schon durch jede Kürzung bei den öffentlichen Schulen betroffen. Besonders auf die Palme brachte den Pater aber eine Äußerung von SPD-Chef Peter Strieder. Der hatte in einem Brief an die freien Schulen geschrieben, er halte eine Senkung der Zuschüsse bei den konfessionellen Schulen für gerechtfertigt, weil so „die Religionsgemeinschaften besonderen Einfluss auf die Wertorientierung … nehmen könnten, also einen besonderen Nutzen aus den Privatschulen ziehen“ könnten. Es gehe nicht um Eigeninteresse, schäumte Mertes, die Schule wolle mit einem besonderen Angebot der Gemeinschaft dienen.
Die realen Kürzungen der vergangenen Jahre hätten die Waldorfschulen bereits an die Grenze gebracht, rechnete Detlef Hardorp, Vertreter der Waldorfschulen, vor. „Wir haben das Schulgeld erhöht, unser pädagogisches Profil zum Teil abgebaut und bei den Lehrerstellen gekürzt“, so Hardorp. Auch Manfred Herrmann vom Evangelischen Zentrum Berlin-Brandenburg griff tief in die Zahlenkiste. Er rechnete vor, dass das Land für einen Schüler an einer evangelischen Schule nur 63 Prozent der Kosten pro Schüler an einer öffentlichen Schule aufbringen muss.
Für drei Oppositionsparteien war gestern klar: Die Kürzung muss zurückgenommen werden. „Die freien Schulen dürfen nicht zu elitären Einrichtungen werden“, resümierte Özcan Mutlu (Grüne). Sie seien herausragende Einrichtungen mit engagierten Lehrern und einem klaren pädagogischem Profil, die zum Sparpreis zu haben seien, meinte Mieke Senftleben (FDP). „Und da wollen die öffentlichen Schulen doch erst hin.“ Klug sparen heiße vielmehr, so der CDUler Uwe Goetze, möglichst schnell „20, 30, 50 neue Schulen in freier Trägerschaft zu eröffnen“.
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