Abgeordnetenhauswahl: Formale Hürden genommen
Der Landeswahlausschuss hat 35 Parteien zur Wahl im September zugelassen, 17 davon zum ersten Mal. Darunter ist auch die rechtspopulistische Freiheit.
Von wegen Politikverdrossenheit, der Parteienmarkt in Berlin boomt. 35 Parteien dürfen nach aktuellem Stand bei den Wahlen im September antreten. Entschieden hat dies der Landeswahlausschuss in seiner ersten Sitzung am Mittwoch. 17 Parteien, also knapp die Hälfte, wären damit in Berlin das erste Mal dabei. Bevor die Parteien wirklich auf dem Wahlzettel landen, müssen viele von ihnen jedoch noch eifrig Unterschriften sammeln: Nur wer 2.200 Unterstützer bis zum Stichtag am 12. Juli vorweisen kann, darf endgültig teilnehmen. 2006 standen letztlich nur 22 Parteien zur Wahl, weil viele Neubewerber die notwendigen Unterschriften verfehlt hatten.
In einem schmucklosen Raum im Alten Stadthaus tagt der Ausschuss am Mittwoch unter Beobachtung zahlreicher Vertreter vor allem der kleinen Parteien, die in Berlin weder bei der letzten Abgeordnetenhaus- noch bei der Bundestagswahl angetreten waren. Für sie wird es spannend, schließlich steht mit der Zulassung zur Wahl auch ihre Anerkennung als Partei auf der Tagesordnung. "Es handelt sich dabei um keine inhaltliche Bewertung, sondern folgt rein formalen Kriterien nach dem Parteiengesetz", sagt die Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach.
Was das konkret bedeutet, bekommt etwa Klaus-Dieter Krause von der Partei-Interim, kurz Pi genannt, zu spüren: Die Satzung der Partei sei unvollständig, es liege lediglich ein Flugblatt als Beweis für ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor, die Mitgliederzahl werde bewusst verschwiegen, argumentiert Michaelis-Merzbach. "Ernsthafte Ziele, einen Beitrag zur politischen Willensbildung zur leisten, sind hier nicht zu erkennen."
Krause will diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Die Partei fordere weder Mitgliedsbeiträge noch sei sie an einer Rückerstattung von Wahlkampfkosten interessiert, da sei die Mitgliederzahl ja wohl egal. Zudem habe man sogar eine Geschäftsstelle. "Die nennen wir nur nicht so, die heißt Boykottladen", so Krause. "Ich finde vielmehr, dass die regierenden Parteien nichts zur politischen Willensbildung beitragen." Daher sei das Engagement anderer besonders wichtig. Das bringt ihm nur ein paar Lacher, der Wahlausschuss erkennt die Pi nicht an.
Ein Schicksal, das auch die Partei Ehrlich-Loyal-Fair-Deutschland Berlin (ELF Berlin) sowie die Rentner Partei Deutschland (RENTNER) ereilt. In beiden Fällen fehlen Unterlagen, die ELF hatte sich zudem erst vier Minuten nach Ablauf der Anmeldefrist und somit zu spät zur Teilnahme an der Wahl gemeldet. "Wir haben uns gerade erst gegründet, sind aber bestrebt, dauerhaft politisch aktiv zu bleiben", sagt der anwesende ELF-Vertreter. Dann werde man es eben zur nächsten Wahl wieder versuchen.
Andere Vereinigungen wie die Bergpartei, die ÜberPartei (B), die Bürgerbewegung pro Deutschland oder die Soziale Alternative für Gerechtigkeit (SAG) waren erfolgreicher im Einhalten von Fristen und Vorgaben und werden zugelassen. Auch die rechtspopulistische Partei Die Freiheit nimmt alle formalen Hürden und kann im Herbst antreten.
Ein besonderes Problem stellt sich für die beiden Parteien Freie Wähler (Freie Wähler) sowie die Freien Wähler Deutschland (FWD). "Wir können keine Partei wegen Namensgleichheit ablehnen und auch keinem eine Umbenennung vorschreiben", sagt Michaelis-Merzbach. Dennoch sehe sie eine große Verwechselungsgefahr.
Ein Einwand, den die Vertreter beider Parteien teilen, um den Namen läuft ein Rechtsstreit. Da beide Seiten jedoch für sich in Anspruch nehmen, als Freie Wähler bekannt zu sein, beharren sie auf der Beibehaltung ihres jeweiligen Namens.
Die 18 Parteien, die bereits anerkannt waren, werden bis auf eine Ausnahme einstimmig vom Ausschuss zugelassen. Neben den im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien sind darunter etwa die Piratenpartei, die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo), die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) sowie die von der Satirezeitschrift Titanic gegründete Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei).
Lediglich bei der Entscheidung über den Antritt der NPD gibt es noch Gesprächsbedarf: Wahlausschussmitglied Mark Rackles sagt, er könne nicht gegen die Teilnahme der NPD stimmen, da er nur über formale Aspekte urteilen dürfe. "Aber ich möchte mich in diesem Fall gerne enthalten", sagt er. Vier weitere Mitglieder tun es ihm gleich.
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