Abgeordnetenhaus: Wahlkampf geht immer
Im Parlament findet die SPD selbst beim wenig strittigen Thema von in der Krise drohender Wohnungslosigkeit einen Weg, gegen die Grünen zu sticheln.
Das Urteil zur Wahlwiederholung steht erst in vier Wochen an, doch Wahlkampf und gegenseitige Abgrenzung sind in der rot-grün-roten Koalition längst im Gange. Das Skurrile: In der Debatte ging es gar nicht um Verkehr, sondern um drohende Wohnungslosigkeit wegen der ausufernden Energiepreise.
Am 16. November will das Verfassungsgericht offiziell verkünden, wovon seit seiner mündlichen Verhandlung Ende September fest auszugehen ist: Dass es wegen der Wahlpannen vor einem Jahr zu einer Wahlwiederholung kommt, mutmaßlich am 12. Februar 2023. Seit jener Verhandlung geloben die Koalitionspartner einen fairen Umgang miteinander. Tenor: Wahlkampfgetöse dürfe nicht das gemeinsame Anliegen behindern, Berlin und seine Menschen sicher durch einen krisenbeladenen Winter zu bringen.
Tatsächlich aber deutet wenig darauf hin, dass sich die Parteien – und auch die aktuellen Regierungspartner – in den kommenden Monaten weniger als vor normalen Wahlen beharken werden. Das geht nicht allein von der SPD aus. Noch am Nachmittag der Gerichtsverhandlung stellte die Grünen-Landesspitze in einer Presseerklärung fest: „Berlin hat eine Führung verdient, die diese Stadt fit für die Zukunft macht.“ Was kaum anders zu verstehen war als: eben nicht die bisherige Führung mit SPD-Parteibuch.
Wer in einer der rund 350.000 landeseigenen Wohnungen lebt, soll bis Ende 2023 keine Mieterhöhung fürchten müssen. Darauf hat sich laut Bausenator Andreas Geisel (SPD) der Senat geeinigt. Der hatte schon im September beschlossen, dass keinem Mieter dieser Wohnungen wegen unbezahlter Energiekosten gekündigt wird. Koalitionspolitiker riefen im Landesparlament private Vermieter dazu auf, ebenso zu handeln. Die FDP hingegen kritisierte, von einem Mietenstopp würden auch jene profitieren, „die es gar nicht brauchen.“ Der Wohnungsverband BBU nannte das Moratorium wegen der ohnehin schon günstigen landeseigenen Unternehmen „wirtschaftlich brisant.“
Die Linke wiederum setzt in der Parlamentssitzung ihre Fehde mit SPD-Innensenatorin Iris Spranger fort. Die hatte sich am Montag darüber empört, dass die Linke der Berliner Polizei ein „Riesenrassismusproblem“ attestierte. Erneut warnt Spranger vor Verallgemeinerungen, nachdem eine neue Chatgruppe mit rassistischen Inhalten bekannt geworden ist.
Gut drei Wochen lang soll nun solche koalitionsinterne Abgrenzung und Profilierung in Ausschüssen und Plenum nicht mehr vorkommen: So lange ist wegen der Herbstferien Sitzungspause im Parlament.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag