■ Urdrüs wahre Kolumne: Ab ins All damit
Die In-und Out-Liste von BILD Bremen notierte unlängst als IN: Glühweinfreundschaften, Honig von ostdeutschen Bienen und Schlittschuhlaufen, als OUT aber weiße Hemden. Ob sich das inzwischen rumgesprochen hat zu den Barbaren im weißen Hemd, die die Eislaufhalle abreißen wollen? OUT seid ihr, Out. Und jetzt aber bitte depressiv werden!
Das Jahr klingt aus und da erreicht den Loser der Saison noch Tröstung aus dem Oldenburgischen: Nachdem Rudolf Scharping schmählich unterging beim halbherzigen Versuch, den Landsmann Helmut vom Thron zu jagen, darf er jetzt wenigstens die Königswürde von ihm übernehmen! In der Nachfolge von Kohl wird Seine Nöligkeit Rudi am 8.Februar 95 offiziell beim Ollnborger Gröönkohläten in der niedersächsischen Landesvertretung zu Bonn mit der Palme des Nordens zum Pinkel-Regenten geschlagen. Von Blähungen heftigst begleitet wird danach endlich Aufwind für die deutsche Sozialdemokratie zu registrieren sein.
Ausgerechnet der Bremer Heimatsender bot jetzt in Buten & Binnen dem evangeli-kahlen Großinquisitor Georg Huntemann Gelegenheit, im aufklärerischen Pathos die Abschaffung des Weihnachtsman ns zu fordern mit der Behauptung „Den gibt es gar nicht!“ Stattdessen will er den Job des Lichtleintragens in die Finsternis unseres Jammertals ganz allein auf die schwachen Schultern des Christkinds legen. Sollen also jetzt die Unmündigen die schweren Säcke tragen und gegebenenfalls die Rute schwingen? Wir halten dagegen und versichern dem Gottes-knecht Schorse, noch gestern persönlich mit dem Weihnachtsmann gesprochen zu haben. Der hatte auch gleich den passenden Schnack für die Huntemänner dieser Erde zur rotbekleideten Hand: „Wer hinten kratzt, wenn's vorne juckt/schneuzt sich die Nas, wenn's Schwänzlein zuckt!“
Am Stand mit den Weihnachts-bäumen in Findorff zuckt ein Familienvater um die 40 erkennbar zusammen, als der Preis des von ihm erkorenen Bäumchens mit 6O Mark angegeben wird. „Aber da hätte ich ja vor drei Jahren noch zwei Stück für gekriegt.“ Seelenruhig der Verkäufer: „Glaubense denn, mit zwei Weihnachtsbäumen macht das der Familie mehr Spaß!“ Recht hat der Kerl, und wenn er noch so sehr nach Mackenstedter roch: Holt Euch den deutschen Regenwald ins Haus...
Erst Mjusikäl, dann Schpäißpark: Die Wirtschaftsförderer dieser Stadt lassen sich schon eine Menge Dummtüch einfallen bei Investitionen zur kulturellen Demontage dieses Gemeinwesens. Den Kindsköppen bei der DASA mag man ja zugestehen, daß sie die entsetzliche Sinnlosigkeit ihres Tuns durch den Bau eines solchen Freizeit-Babels verdrängen wollen-im Ernst aber zu glauben, daß es mehr als ein paar pubertierende Zahnspangenträger zu dieser Raumschiff Enterprise-Inszenierung mit Hüpfburg und Schleuderbahn drängen könnte, schaffen wohl nur solche Cläuse mit C, die als Kind mal auf dem Freimarkt in der Geisterbahn vergessen wurden. Und wenn dann im didaktischen Teil dieses Rummels die Unterhose von Ulf Merboldt zum Schnüffeln und Anfassen ausgestellt wird, dürfte dieses Konzept schon den Gipfel seiner Möglichkeiten realisiert haben.
Nun bleibt nur noch, dem lesenden Publikum Frieden auf Erden und ein Wohlgefallen zu wünschen. Und falls es unter der preiswerten Allerweltsfichte oder unter der teuren Nordmann-Tanne nicht so ganz klappen sollte mit der zweiten und dritten Strophe von „O du fröhliche...“ so geben wir hier noch die Telefonnummer des Büros für Weihnachtslieder in Graz preis, das unter Tel. OO43 316 838O99 einen Notdienst gegen Gedächtnislücken eingerichtet hat und auf Wunsch den kompletten Text kostenlos ins Haus faxt. Und Sie glauben immer noch nicht an Christkind und Weihnachtsmann?
Ulrich Reineking-Drügemöller
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