AUCH IN JAPAN HABEN KONJUNKTURPROGRAMME NICHTS GENÜTZT: Zu spät für den Kanzler
Die Konjunktur lahmt, also wackelt der Kanzler. So ist das nun mal – und die Union hat das erkannt, nachdem sie in den vergangenen Monaten mit jedem anderen Thema am Macher-Image von Gerhard Schröder abgeprallt ist. Das Schöne daran, zumindest für die Opposition: Die Bundesregierung kann vor den Wahlen kaum noch etwas Sinnvolles tun, um in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wieder besser zu punkten.
Denn kurzfristige Konjunkturprogramme – etwa, mit Hilfe von etwas mehr Verschuldung die Baukonjunktur anzukurbeln – helfen nicht nur wenig, wie angesichts der nunmehr zehn Jahre andauernden Krise der japanischen Wirtschaft zu studieren ist. Hierzulande fehlt auch das Geld dafür: Immerhin gibt es einen EU-Vertrag zur Eurostabilität, der genau diese hektischen Vor-Wahl-Geschenke verhindern soll. Und wer die Ökosteuer wieder abschaffen und die Steuerreform vorziehen will, wie Teile von Union und Wirtschaft fordern, muss ebenfalls sagen, womit er das bezahlen will. Der Effekt wäre auch zu klein, um vor der Wahl noch groß etwas zu bewegen.
Genau hier lieg auch das tiefere Problem: Wie will Schröder praktisch zum Beginn des Wahlkampfs substanzielle Einsparungen durchsetzen und dann noch die Wahl gewinnen? Substanziell im Sinne einer positiven Auswirkung auf den Arbeitsmarkt hieße: Die Lohnnebenkosten müssen weit runter. Also sinken die Renten und steigen nur wieder dank privater Vorsorge. Also muss eine Gesundheitsreform den Ärzten und Patienten an den Geldbeutel gehen, also brauchen wir eine Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die die potenziellen Empfänger jede Tätigkeit annehmen lässt, ganz egal, als was sie vorher gearbeitet haben. Und der Kündigungsschutz ist sowieso ganz schlimm, so Arbeitsmarktexperten – also weg damit.
Wie viele Wähler in Deutschland würden denn einem solchen Programm ihre Zustimmung geben? Sie wissen wohl schon, dass der Sicherheit gebende Rahmen hiesiger Gesetze alles andere als Arbeitsplätze schafft. Aber deshalb gleich diese persönliche Sicherheit aufgeben, dazu ist kaum einer derjenigen bereit, die Arbeit haben. Die Arbeitslosigkeit trifft ja auch „nur“ etwa 4 von 40 Millionen Wählern.
Für diese Legislaturperiode muss Schröder also Kosmetik betreiben und ansonsten hoffen, dass die Konjunktur bis zur Wahl nicht zu sehr abstürzt. Aber dann müssen sofort ein paar Reformen – das heißt nicht gleich der Neoliberalismus – kommen, auch wenn Teile der SPD und der Gewerkschaften blocken. Sonst bleibt Deutschland der Wachstumsbremser der EU – genau so, wie Japan in Ostasien hinterherhinkt. REINER METZGER
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