ARD-Tatort aus München: Ein Kommissar steigt aus

Fast 17 Jahre spielte Michael Fitz den dritten Münchner Tatort-Ermittler - zuständig für die Komik und den entscheidenden HInweis in letzter Minute. Am Sonntag gibt er seine Abschiedsvorstellung.

Nach dem Sonntag ist es aus mit der heiligen Dreifaltigkeit. Der Carlo (mi.) verlässt den Ivo (li.) und den Franz (re.) Bild: dpa

MÜNCHEN taz Im vorigen "Tatort" stiegen die beiden Hauptkommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr streitend in ihren blank polierten Dienst-BMW. Weil der Ivo in der Nacht zuvor ein unerlaubtes Tête-à-tête hatte. Hinter der Frontscheibe sieht man sie weiter zanken, mit weit aufgerissenen Mündern und weit ausladenden Gesten. Wie ein Ehepaar mittleren Alters.

Für Carlo Menzinger, den Dritten im Bunde, wäre da nur noch auf der Rückbank Platz gewesen. Aber der ist eh schon ausgestiegen. Am Sonntag, 21. Oktober, läuft der 44. und letzte Tatort mit Oberkommissar Menzinger. Vor gut einem Jahr hatte Michael Fitz seinen Ausstieg angekündigt. Nach fast 17 Jahren Tatort-Trio geht Carlo und mit ihm eine Ära zu Ende. Ivo und Franz bleiben allein zurück. Und trauern.

Im Tatort und in echt: "Neulich hat der Udo angerufen und gesagt: Wir drehen gerade, wir vermissen dich", erzählt Michael Fitz. Und die eine oder andere Träne sei auch geflossen, nachdem die letzte Klappe - eine weiß- blaue wohlgemerkt - gefallen war. Auch bei ihm? Ja, auch bei ihm: "Das berührt einen schon, das ist ja etwas, was über Jahre zusammen gewachsen ist", sagt Fitz und kratzt in seinem Bart, einem beeindruckenden rotbraunen Gestrüpp mit weißen Sprenkeln. Der Bart juckt und nervt, aber abrasieren geht nicht, Fitz braucht ihn zum Drehen. Einen angeklebten wollte er nicht - "ich bin Perfektionist".

In Marcus H. Rosenmüllers Räuber Kneißl gibt Fitz den Vater des bayerischen Urrebellen. Solche Rollen - in "guten Filmen" und Fernsehspielen, wie Fitz sagt - waren Grund dafür, warum er sich der Rolle des Carlo entledigen wollte, von der manch einer sagte, sie hätte dem Fitz gepasst wie eine zweite Haut. Mit dem Gedanken getragen hat er sich schon länger, aber so eine Rolle sei halt auch bequem: "Die zahlt die halbe Miete, das ist eine Bank." Aber für den Preis, dass er nicht nur beim Publikum, sondern auch in der Branche immer "der Assistent vom Tatort" gewesen sei, erzählt Fitz. "Irgendwann war klar: Wenn ich noch mal etwas anderes will, muss ich raus." Jetzt dreht er, gibt Lesungen und arbeitet an seiner neuen, inzwischen zehnten CD. "Nackert" soll sie heißen und das passt schon wieder fast zu gut.

Denn den Carlo, die alte Haut, wird er doch vermissen nach all der Zeit. 1991 tauchte Michael Fitz zum ersten Mal im Münchner "Tatort" auf. Einen Tierschützer spielte er damals, um dann ein zwei Folgen später als Kriminalassistent Carlo Menzinger wiederzukehren - ohne zu ahnen, dass daraus mehr werden würde. "Ich habe nie einen festen Vertrag gehabt", sagt Fitz, "ich bin für jeden neuen ,Tatort' über meine Agentur neu engagiert worden." Später erzählte ihm der Drehbuchautor, Volker Maria Arend, dass er die Rolle des Carlo eigens für ihn, Fitz, geschrieben habe.

Und diese intime Bindung hielt an: "Für mich hat der Carlo was mit Erwachsenwerden zu tun, Erwachsenwerden als Mann", erzählt Michael Fitz. Er trägt ein marineblaues Sakko mit blauweißem Hemd darunter, beugt sich leicht vor und legt die Arme so fein säuberlich auf dem Tisch übereinander, dass man ihm glaubt. Wie Carlo - der sich mal der Meditation verschreibt und mal seine Liebe für New Wave entdeckt, der dann irgendwann die Cowboystiefel in die Ecke stellt, sich die lange Mähne schneiden lässt - habe auch er vieles ausprobiert. "Das spiegelt wieder, wie es mir gegangen ist. Man nimmt in die Figur viel Persönliches mit, man muss sie ja mit Blut und Leben füllen."

Carlo, das war das komische und komödiantische Element im Münchner "Tatort", der Spinnerte, der Kontrapunkt zu der graumelierten Kommissarenkombo, der man am Anfang vorgeworfen hat, einander zu ähnlich zu sein. Carlo war Wasser- und Sympathieträger. Weil er der Außenseiter war, einsam hinter seiner Glasscheibe wie im Aquarium, der aber oft genug den entscheidenden Hinweis liefert. Weil er "jahrelang den Deppen gemacht hat" für seine Chefs, die ihn allzu oft "wie einen Primaten behandeln", wie Carlo bei seinem letzten Auftritt schimpft. "Der Carlo hat's einfach gemacht, das ist so ein Steher, auch wenn ihm der Rauch zu den Ohren rauskommt", beschreibt Fitz sein Alter Ego.

Das bayerische Trio, ein Unikum in der bundesdeutschen "Tatort"-Landschaft, war eigentlich keines. Gleichberechtigte Partner waren sie nie, auch nach Carlos Beförderung nicht. Auch wenn es der Bayerische Rundfunk in den vergangenen Jahren immer gerne nach heiliger Dreifaltigkeit hatte aussehen lassen, Michael Fitz hat da ein anderes Glaubensbekenntnis: "Im Tatort ist kein Platz für drei Kommissare, für zwei ist es schon knapp." Ein Trio habe nur Vorteile, wenn man auf dem Boden der Tatsachen bleibe - sprich, wenn einer für die Komik zuständig ist und die drei nicht auf einer Ebene agieren. Geärgert habe es ihn nie, sagt er, stets im Schatten seiner beiden Vorgesetzten gestanden zu haben. Menzinger schon.

"Es ist doch purer Zufall, wo einen des Schicksal hinscheißt - oben oder unten", grantelt er in der Abschiedsfolge. Im "Traum von der Au" geht es um Luxussanierungen, Immobilienhaie und Menschen, die ihnen zum Opfer fallen - Themen, die München durchaus beschäftigen. Nur Carlo ist beschäftigt und reizbar, während Batic und Leitmayr sich fragen, was sie ihm zum 25. Dienstjubiläum schenken sollen. Dazu wird es nicht mehr kommen. Am Ende sagt Leitmayr: "Eigentlich war's doch immer ganz schö mit uns" und Batic haut Carlo auf die Schulter. "Na, ned immer", sagt der, kostet die Irritation seiner Chefs aus und sagt grinsend: "Aber meistens."

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