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ARD-„Tatort“ aus BremenDrei Ermittler sind einer zuviel

In der Folge „Er wird töten“ wird Inga Lürsens neuer Kollege und Lover ermordet. Spargründe sorgen für ein kleines aber feines Kammerspiel im Polizeipräsidium.

Sabine Postel (li.) und ihre Serientochter Camilla Renschke während des Drehs zum Bremen-Tatort. Bild: dpa

Rumms, schon steckt das Messer tief in Leo Uljanoffs (Antoine Monot Jr.) Rücken. Der versucht sich noch verzweifelt am Pissoir oder einer der Klotüren festzuhalten, verschmiert sein Blut im Raum, nur um dann doch auf die Fliesen zu taumeln. Ein Mord mitten im Herz des Polizeipräsidiums: im Herrenklo. Im Bremen-„Tatort“ wird kurzer Prozess gemacht. Frei nach dem Motto: Drei Ermittler sind einer zu viel.

Während Inga Lürsen (Sabine Postel) nun den Verlust ihres Lebensgefährtens, der doch eigentlich bei ihr einziehen wollte, verkraften muss, kommt ihr Kollege Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) von seiner Ausbildungsmission in Afghanistan zurück – natürlich traumatisiert, natürlich mit Medikamenten gegen die Ängste stets am Anschlag.

Dennoch ist aus „Er wird töten“ schönerweise keine rührselige Abschiedssonderfolge geworden. Denn da sitzt ja noch diese Frau im Präsidium, deren Mann vor vielen Jahren ihr gemeinsames Kind umgebracht haben soll. Der Ex-Gatte saß dafür auch jahrelang im Knast. Doch nun ist er raus. Und bedroht sie.

Ließen Florian Baxmeyer (Regie) und Christian Jeltsch (Buch) in Bremen zuletzt eine bundesweite Mordserie enden, ist diesmal alles einige Nummern kleiner: von XXXXL zu S. Spargründe. „Tja, wir haben halt letztens ordentlich auf die Kacke gehauen“, sagt Hauptdarsteller Oliver Mommsen dazu im Sonntaz-Interview: „Mischkalkulation nennt man das.“

Herausgekommen ist ein feines Kammerspiel. Fast der gesamte Krimi spielt sich im Präsidium ab, und nahezu jeder wird verhört, und jeder wird verdächtigt. Sondereinsatzkommandos durchkämmen das Gebäude nach dem Toilettenmörder und finden nur den saufenden Hausmeister. Der war’s nicht. War es also wirklich der frühere Ehemann der verängstigten Frau? Er war’s ja auch, der ihr die Drohungen aufs Handy gequasselt hat. Oder nicht? Es ist der wohl einzige Schwachpunkt des „Tatorts“. Zu früh ist einem klar, dass an der Version der bedrohten Frau irgendetwas nicht stimmen kann.

Dennoch: Der Bremer „Tatort“ des Duos Baxmeyer/Jeltsch ist wieder ein Krimi im besten Sinne des Wortes geworden. Weder Stedefreunds Trauma noch Lürsens Verlust noch irgendein anderes Schicksal überlagern zu penetrant die wichtigste und spannendste Frage, die es am Sonntagabend zu klären gilt: Wer war’s?

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4 Kommentare

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  • H
    Harald

    Herausgekommen ist ein feines Jammerspiel. Oder:

    Gab es je einen Tatort, wo früher klar war, wer den Mord beging?

     

    Gleich vorweg. Das war die beste Tatort-Satire, die je ausgestrahlt wurde.

     

    Die inzwischen wichtigste Standard-Szene in einem Tatort ist die auf der Toilette. Toilettenfans sind also reichlich auf ihre Kosten gekommen. Ganz besonders dabei im Vordergrund sind natürlich die Dialoge beim pinkeln. Ein Markenzeichen. Das Pinkelgeräusch muss gut hörbar sein, wenn’s geht auch der Strahl zu sehen und, selbstverständlich, das Abschütteln.

     

    Was allerdings schmerzlich fehlte, waren die Dialoge beim essen. Mit vollem Mund, ausgiebig schmatzend, versteht sich. Die dürfen eigentlich auch in keinem Tatort fehlen.

     

    Dafür gab es Emotionen satt. Emotionen pur. Erschütternde Emotionen. Ergreifend, hautnah und intensiv. Zumindest was ein Tatort darunter versteht:

     

    Wabermusik. Ganz entscheidend, damit der Zuschauer weiß, was er zu fühlen hat.

     

    und dann: lautes Geschrei, Brüllen, Jammern, Heulen, Heulen Heulen. Schreien, Stöhnen, Heulen, Heulen – die Kamera drauf halten und halten. Ran zoomen, drauf bleiben, halten, halten.

     

    Weiterschreien, Zanken, Keifen, Brüllen, Brüllen, Schreien, Heulen, Heulen, Heulen, Heulkrampf.

     

    Die Kamera weiter frontal draufhalten, zoomen. Besorgte Gesichter, besorgte Gesichter, besorgte Gesichter. Heulen.

     

    Es gibt aber auch Kritisches zu vermelden. Im dargebotenen Kessel Buntes der gesellschaftlich ergreifenden, aufrüttelnden, bestürzenden, traumatisierenden, überwältigenden, bewegenden, aufwühlenden und erschütternden Themen fehlte ganz klar und schmerzlich die Problematik der Homo-Ehe. Alles andere war aber gut integriert.

     

    Besonders gut war der traumatisierte Afghanistan Rückkehrer gezeichnet. Einfach herrlich.

  • FN
    Floda Nashir

    Früher gab es doch tatsächlich noch Tatorte ohne Leichen. Geht das heute nicht mehr? Sollte doch eigentlich wieder möglich sein.

  • D
    Dettenborn

    Kann man den Tatort abschalten ?

    damit meine ich nicht den Fernseher

  • T
    tommy

    Kann man Tatort nicht endlich abschaffen? Das Konzept hat sich doch überholt. Und irgendwie finde ich es komisch, dass in einem relativ sicheren und langweiligen Land wie Deutschland medial so viel gemordet wird.