ARD-Film über Facebook: Die Frage aller Fragen – ohne Antwort
Die Doku untersucht den Erfolg und das Geschäftsmodell von Facebook. Sie formuliert berechtigte Kritik, bleibt aber oberflächlich und wohlfeil.
Wie schafft man es nur, als so sagenhaft reicher Mensch immer so unfassbar schlecht angezogen zu sein? Um es vorweg zu nehmen: Die Dokumentation „Facebook außer Kontrolle?“ (von James Jacoby, Dana Priest, John Goetz und Barbara Biemann) beantwortet diese Frage aller Fragen nicht – liefert aber viel Anschauungsmaterial.
Da kann man also etwa sehen, wie ein kaum der Pubertät entwachsener Mark Zuckerberg auf dem Sofa lümmelnd ein frühes Interview gibt – seine Firma Facebook hat damals drei Millionen Nutzer und 20 Angestellte. Er trägt eine kurze schwarze Turnhose! Mit weißer Kantenpaspel! Die er auch einige Zeit später in einem Fernsehstudio sitzend noch nicht abgelegt hat, nur das T-Shirt oberhalb davon hat jetzt eine andere Farbe (zuvor Weiß, jetzt Rot).
Irgendwann wurden Nutzer und Umsatz in Milliarden gerechnet, und endlich fand er diesen Versuch, sich um jeden Preis, selbst den der peinlichen Entblößung seiner käseweißen Stubenhocker-Schenkel, zu differenzieren, dann aber offenbar selbst ein bisschen infantil. Und so trat er die Nachfolge des gerade verstorbenen Steve Jobs an und trug fortan nur noch: Turnschuhe statt Turnhose, (lange) Blue Jeans und schwarzgraue T-Shirts, gegebenenfalls kombiniert mit schwarzgrauer Fleecejacke – gegen die nordkalifornische Kälte.
Was Steve Jobs Zeit seines Lebens erspart geblieben ist: so ein Gang nach Canossa. Das Schlimmste an Mark „Sackabörgs“ Anhörung durch den US-Kongress in diesem Jahr war ja nicht das Verhör als solches, sondern dass er sich dafür ins Büßergewand … nein, „zwängen“ wäre das falsche Wort für diese gänzlich konturlosen, stets dunkelblauen Anzüge, wie sie ausnahmslos alle amerikanischen Politiker ausschließlich tragen.
Ab hier wird's ernst
Es ist wirklich sehr einfach, sich über Mark „Sacka…“ … nein, hier fängst ja jetzt der ernste Teil des Textes an … sich über Mark Zuckerberg lustig zu machen, s.o. Es ist auch ziemlich einfach, sich über Facebook zu empören. Und damit wäre die Gemenge- und Tonlage, in der der Film spielt, auch schon erschöpfend beschrieben. Sie wollten doch nur vernetzen – und herausgekommen ist der weltgrößte Überwachungsstaat.
Der Sündenfall war der Börsengang 2012: „Von dem Moment an haben wir die Nutzerdaten mit anderen Daten verknüpft – ohne dass die User das wissen.“ Der Arabische Frühling wurde noch als „Facebook-Revolution“ gefeiert – heute wird gewarnt: „Facebook wird einen Völkermord auslösen!“ (in Myanmar).
Vom Ex-Datenschutzbeauftragten Peter Schaar über den Datenschutzaktivisten Max Schrems, den üblichen Verdächtigen also, bis zu einer wirklich beachtlichen Riege (ehemaliger) Facebook-Manager – die schiere Zahl an Talking Heads zeugt von einer bemerkenswerten Fleißarbeit der Filmemacher, die aus dem Off in den Chor der Kritiker einstimmen: „Der Algorithmus von Facebook ist so gebaut, dass er populäre Inhalte präferiert – und nicht unbedingt Qualitätsjournalismus. Der Nutzer erkennt in der Regel keinen Unterschied.“
Sprechen da die Anmaßung und Verbitterung einer sich nostalgisch an den Volkszählungsboykott 1987 erinnernden (Journalisten-)Generation? Es ist dieser etwas zu selbstgerechte Sound, diese allzu offensichtliche Voreingenommenheit, diese ein bisschen zu schamlose Schadenfreude an den linkisch vergeigten Auftritten Mark Zuckerbergs. So klingt eine (in allen genannten Punkten nicht neue) Kritik nicht anders als wohlfeil – mag sie in der Sache auch noch so berechtigt sein. In allen Punkten.
Leser*innenkommentare
Spitzbube
Die Frage aller Fragen? Die Antwort lautet: 42!