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ARD-Film „LOMO“Hart am Rande der Überzeichnung

Eine Coming-of-Age-Geschichte im digitalen Zeitalter. Nichts Neues, doch es lohnt sich wegen des fantastischen Casts und der lustigen Milieuzeichnung.

Jonas Dassler als Karl – wie immer sehr gut geschauspielert Foto: Michal Grabowsky/Flare Film/rbb

Irgendwann war das Internet für uns alle dann doch kein Neuland mehr – nicht einmal für die alten Tanten ARD und ZDF. Es gab nun schon einige Filme, die sich mit den besonderen Coming-of-Age-Problemen der Digital Natives befassen: Cyber-Mobbing, Cyber-Grooming und so. „LOMO – The Language of Many Others“, den das Erste in seiner „FilmDebüt“-Reihe zeigt, ist also nicht der erste seiner Art. Der schon 2015 gedrehte Film ist allerdings auch nicht mehr so ganz atelierfrisch. Man sieht das an der beachtlichen Karriere, die der Hauptdarsteller, der in „LOMO“ einen 17-jährigen Schüler gab, zwischenzeitlich hingelegt hat.

Jonas Dassler, heute 24, hat in Florian Henckel von Donnersmarcks „Werk ohne Autor“ gespielt, in Lars Kraumes „Das schweigende Klassenzimmer“ und, als Frauenmörder Fritz Honka, in Fatih Akins „Der Goldene Handschuh“. Seiner Einschätzung als „Jahrhunderttalent“ könne nicht widersprechen, wer ihn habe spielen sehen, stand in einem großen Porträt in der Süddeutschen Zeitung. Ob er auch in „LOMO“ schon so groß aufgespielt hat? Mal schauen:

„Als Karl (17) an der Suche nach seinem Platz in dieser Welt scheitert, überlässt er seinen ‚Followern‘ sämtliche Entscheidungen über sein Leben und steuert damit auf eine Katastrophe zu.“ So fasst die ARD die Handlung von Julia Langhofs erstem Langfilm zusammen. Ach ja. Das Scheitern an der Suche nach seinem Platz in der Welt ist eigentlich nichts weiter als eine gewisse, für das Alter nicht eben untypische Antriebs- und Planlosigkeit. Weiß eben mit 17 Jahren noch nicht jeder so genau wie Karls fünf Minuten ältere Zwillingsschwester, wohin die Reise gehen soll. Na und?

„Die Darstellung des Caligula vernachlässigt sein indolentes Verhalten“, hat der Lehrer Doro in ihr Heft geschrieben. Doro ohne Sinn für Indolenz verführt ihren Klassenkameraden Karl, also Jonas Dassler, nur um ihn alsbald während einer Party eiskalt wieder abzuservieren. Gewiss ist er nicht der erste Junge mit so einer Erfahrung (mit Doro), aber in dem Alter nimmt man sich das halt sehr zu Herzen. ARD-Presseheft: „Für Karl ist jetzt klar: Nichts ist wahrhaftig, alles ist Willkür. Desillusioniert beginnt er ein gefährliches Spiel.“ Sein Liebesspiel mit Doro landet im Internet.

Der Film

„LOMO – The Language of Many Others“, Di., 25.8., 22.45 Uhr, ARD

Bis in die kleinste Nebenrollen top besetzt

In einem anderen Film wäre Karl der Cyber-Mobber: der Täter. Aber hier kommt nun wohl Jonas Dasslers Talent zum Tragen – und sein „James-Dean-Gesicht“ (SZ). Als Zuschauer will man ihm die Tat nicht nur nicht übelnehmen, sie nicht einmal als pubertäre Dummheit abtun – nein, man ist sogar bereit, sie als nihilistischen Akt des Widerstands zu goutieren. Ziemlich genau in der Weise wie in „Die Reifeprüfung“ die Affäre des damals auch sehr attraktiven Dustin Hoffman mit der verheirateten Mrs Robinson. Die Erwachsenen in „LOMO“ können es in Sachen Bigotterie locker mit ihr aufnehmen.

Und, ehrlich gesagt, das ist das Beste an „LOMO“. Nicht das auf ästhetischer Ebene originelle digitale Problemgefilme – das einen in anderen Filmen weniger kalt gelassen hat. Und auch nicht die Darstellung Karls durch den so irre talentierten Jonas Dassler.

Aber er spielt in einem bis in die kleinste Nebenrolle (mit Barbara Philipp) fantastisch besetzten, herrlich hart am Rande der Überzeichnung agierenden Ensemble.

Zum Beispiel Peter Jordan als Karls Architektenvater, der um seine Villa irgendwo in einem der gesetzteren Bezirke im Südwesten von Berlin – möglicherweise ganz in Nachbarschaft des künftigen Domizils von Jens Spahn? – bangt, weil der rettende Großauftrag, Berlin ist ein Dorf, ausgerechnet vom Wohlwollen von Doros Mutter abhängt.

Der Kater namens „Buckminster“ (Fuller), die goldfischglasgroßen Rotweingläser, der „Defender“ als Familienkutsche … Die Milieuzeichnung ist eine einzige Aneinanderreihung von Klischees. Und als solche ein Riesenspaß!

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