ANC wählt Nachfolger für Zuma: Das Erbe wiegt schwer
Die südafrikanische Regierungspartei ANC wählt bei ihrem Kongress einen Nachfolger für den umstrittenen Präsidenten Zuma.
Tanzende und singende Delegierte in ihren gelb-grünen T-Shirts sind fester Bestandteil von Versammlungen der Regierungspartei in Südafrika. Aber die Feierstimmung kann dieses Mal nicht über die Anspannung im Saal auf dem Veranstaltungsgelände vor den Toren Johannesburgs hinwegtäuschen: Die Konferenz des Afrikanischen Nationalkongress (ANC) sollte am Sonntag einen neuen Vorsitzenden wählen, der oder die dann 2019 Präsident werden könnte. Die Bekanntgabe des Ergebnisses wurde für den Montag erwartet.
Partei- und Staatschef Jacob Zuma darf nach zwei Amtszeiten nicht noch ein weiteres Mal im Jahr 2019 antreten. Hauptanwärter für den Parteivorsitz sind der derzeitige Vizepräsident Cyril Ramaphosa und die ehemalige Ex-Ehefrau Zumas, Nkosazana Dlamini-Zuma. Über 4.000 Delegierte sind aus den Ortsverbänden der neun Landesprovinzen zur Wahl zugelassen.
Gleich zur Eröffnung des 54. Parteikongresses am Samstag hatte Präsident Jacob Zuma in seiner letzten Rede vor den Genossen einen krassen Ton angeschlagen: Er verurteilte diejenigen, die während seiner zwei Amtszeiten gegen ihn gearbeitet hätten. Zunächst rechnete der 75-jährige Präsident etwa mit den Veteranen in der ehemaligen Befreiungspartei Nelson Mandelas ab. Die Liga hatte seinen Rückruf vom Amt gefordert.
Die letzten Jahre Zumas Präsidentschaft waren von Korruptionsvorwürfen geprägt. Er soll unterstützt haben, dass die Politik des Landes maßgeblich von der befreundeten indischstämmigen Geschäftsfamilie Gupta mitbestimmt wird. Der nun mit harten Bandagen geführte Wettlauf um die Präsidentschaft belastet überdies den Zusammenhalt der einst verehrten, 105 Jahre alten Unabhängigkeitsbewegung.
„Ich habe mein Bestes getan“, sagte Zuma jetzt in seiner Rede und rief die zerstrittene Partei zur Einheit auf. Aber Zuma und seine engsten Verbündeten sind für den massiven Grabenkampf innerhalb des ANC verantwortlich.
Wahlausgang ist kaum vorhersehbar
Die bisherige Spaltung in der Partei hat Zuma sogar noch am Vorabend der Konferenz in seinem Interesse verstärkt: Er kündigte kurzfristig die Streichung der Gebühren für ärmere Studenten an – anstatt es zuzulassen, dass auf dem Kongress darüber diskutiert würde. Die Studenten hatten immer wieder heftig gegen Studiengebühren protestiert.
Mit der Entscheidung sorgt Zuma nun dafür, dass sein Parteiflügel gut dasteht – im Gegensatz zum Vizepräsidenten Cyril Ramaphosa. Zuma wolle so deutlich machen, dass eine Stimme für den Vizepräsidenten Cyril Ramaphosa auch eine gegen kostenlose Ausbildung sei, schreibt der politische Beobachter Ralph Mathekga.
Der Wahlausgang ist kaum vorhersehbar: Nur wenige hundert Stimmen können den Ausschlag geben. Beide Favoriten für das Spitzenamt repräsentieren zwei mächtige Fraktionen innerhalb ihrer Partei: Dlamini-Zuma ist Ärztin und ehemalige Ministerin. Sie will schwarze Südafrikaner durch „radikale Wirtschaftstransformation“ für den ANC gewinnen und gilt als Verbündete ihres Exmannes. Einige fürchten, sie werde sich von ihm beeinflussen lassen und ihn vor Strafverfolgung schützen. Dlamini-Zuma erfährt Rückhalt vor allem unter den mit Präsident Zuma vereinten Traditionalisten in den ländlich geprägten Provinzen Kwa-Zulu Natal, Free State und North West.
Nach den Nominierungen aus den Verbänden liegt jedoch ihr Gegner, der ehemalige Gewerkschaftsboss und Millionär Ramaphosa, vorn. Er gilt als verfassungstreuer Reformer, vor allem in der Provinz Gauteng, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes. Er will gegen die 28 Prozent Arbeitslosigkeit vorgehen und die Wirtschaft ankurbeln – Investoren stehen hinter ihm.
Doch der 65-jährige Wirtschaftsliberale Ramaphosa hat sich viele Feinde unter der armen Bevölkerung gemacht: 2012 wurde er als Aufsichtsrat einer Bergbaufirma dafür mitverantwortlich gemacht, dass die Polizei bei einem Streik in der Marikana-Mine mehr als 30 Arbeiter erschoss. Ob der Ex-Widerstandskämpfer und ehemalige Vertraute Mandelas oder die Ex-Ehefrau Zumas das Spitzenamt antreten – das Erbe wiegt schwer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden